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Das Alabastergrab

Titel: Das Alabastergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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trotzig, das Kinn energisch und entschlossen nach vorne gereckt,
blickte er dem Polizeibeamten ins Gesicht.
    Die Spannung war kaum noch zu ertragen. Nicht wenige der Anwesenden
hatten bei Joes Antwort erschrocken die Luft angehalten.
    Fritz Helmreich war bereits im Begriff, sich zu erheben. »Joe, jetzt
hör mal …«, versuchte er seinen Freund vor dem drohenden Unheil zu bewahren.
Aber es war zu spät.
    »Soso, Herr Scheidmantel, was Sie also nicht sagen«, kommentierte
der Polizeibeamte in aller Ruhe seinen Ausbruch. »Das würden Sie also wirklich
tun?«
    Die Situation wurde immer brenzliger. Der andere Beamte war zur Tür
zurückgegangen und versperrte nun mit grimmigem Gesichtsausdruck den Ausgang.
Die Blicke der Versammelten flogen hektisch von Polizei zu Joe und zurück.
Panik machte sich breit.
    Auch Fritz Helmreich war verzweifelt. Joe war im Begriff, sich
wieder mal so richtig reinzureiten. Die resolute Strenge und die
Unantastbarkeit der Polizeibeamten bedeuteten für ihn nichts, er ließ seiner
Wut einfach freien Lauf. Dabei wusste Helmreich, dass es sich bei dem Ausbruch
seines Freundes nur um starke Sprüche handelte, die er in einer halben Stunde
wieder bereuen würde. Was verhielten sich die Beamten eigentlich so feindselig?
Sie waren es doch gewesen, die Anzeige erstattet hatten. Es wäre wirklich
besser, wenn Joe endlich mal die Klappe halten würde. Doch dem stand der Sinn
nach ganz was anderem.
    »Ja, allerdings würde ich des – und zwar mit ausgesprochener
Leidenschaft«, beantwortete Joe dem Polizisten völlig unbeeindruckt seine
Frage, die im Raum gestanden hatte.
    »Nun«, bemerkte der Beamte, der inzwischen breitbeinig vor ihm
stand, »nun, Herr Scheidmantel, ich muss Ihnen leider sagen, dass Sie sich
diese Mühe sparen können.«
    Plötzlich war es kalt in der Gaststube, und selbst in Scheidmantels
Gehirn regte sich so etwas wie Unsicherheit, die er aber gleich im Entstehen
niederbügelte. Alle Augenpaare starrten wie elektrisiert auf einen Punkt: den
Mund des Gesetzeshüters, der auch sogleich den Rest der brisanten Wahrheit
verkündete. »Edwin Rast ist heute Morgen tot in Kemmern aufgefunden worden,
Herr Scheidmantel. Und so, wie es aussieht, kann man nicht davon ausgehen, dass
er friedlich in seinem Bett entschlafen ist.«
    Der Kopf von Fritz Helmreich flog herum. »Tot?«, fragte er mit
brüchiger Stimme.
    »Wie? Tot?«, ließ nun auch Scheidmantel reichlich verunsichert
vernehmen. Alle Souveränität und alle Kampfeslust war aus seiner Haltung
gewichen.
    »Nun, so tot, wie man eben nur tot sein kann«, erwiderte der
Polizeibeamte kalt. »Und so, wie sich die Lage hier für mich darstellt, werden
wir jetzt mal die Personalien von Ihnen aufnehmen, meine Damen und Herren. Und
ganz besonders die von Ihnen, Herr Scheidmantel«, fügte er nach einer kurzen Pause
und nicht ohne drohenden Unterton hinzu.
    Joe Scheidmantel musste sich setzen. Alle Kraft war aus seinen
Beinen gewichen.
    *
    »Legen Sie beide Beweisstücke sofort wieder hin!« Lagerfeld drehte
sich entgeistert um und sah Ernst Ruckdeschl mit hochrotem Kopf auf ihn
zustürzen. »Das sind womöglich wichtige Spuren, die Sie da gerade vernichten.«
    »Spuren? Aber des lag doch alles schon stundenlang im Main? Da
wollen Sie noch Spuren finden? Jetzt wern Sie mal net albern, Ruckdeschl«, fuhr
Lagerfeld den Spurensicherer autoritär an.
    Ruckdeschl war kurz davor zu platzen. Nicht nur, dass diese Leiche
ihm gerade seinen Sonntag versaute, nein, hinzu kam, dass dieser ungehobelte,
manierenlose, klugscheißerische Neukommissar ernsthaft versuchte, ihm seinen
Job zu erklären. Ihm, Ernst Ruckdeschl. Neunzehn Dienstjahre und damit fast so
lange dabei wie Haderlein. Lächerlich. »Sie«, er betonte die Anrede, »würden
auf diesen Beweisstücken natürlich nichts finden, Sie aufgeblasener Modezar.«
Sein hoch erhobener Zeigefinger schwankte drohend in Lagerfelds Blickfeld hin
und her. »Aber vielleicht wird Ihnen irgendwann einer, dem Sie netterweise
Ihren Glauben schenken, erklären, dass durch Wasser verschwundene
Fingerabdrücke durchaus wiederherzustellen sind. Vielleicht, und nur vielleicht,
werden Sie das dann begreifen, Lagerfeld. Das Einzige, was Sie bisher zur
Ermittlung beigetragen haben, sind Konfusion, Chaos, Alkohol und verstörte
Mitmenschen. Von mir aus machen Sie mit meinen Beweisstücken doch, was Sie
wollen, Lagerfeld. Aber kommen Sie in diesem Leben nie wieder, ich wiederhole,
nie wieder mit der Bitte ›Können Sie

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