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Das Alabastergrab

Titel: Das Alabastergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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Einsatzleiter zu Honeypenny hinüber.
    »Er wird heute nicht kommen«, verkündete die mit einem Blick, der
verriet, dass sie etwas wusste, von dem die anderen noch keine Ahnung hatten.
Alle schauten sie gespannt an.
    »Keinen sinnlosen Spannungsaufbau heute, Honeypenny. Wir haben
wirklich einen engen Zeitplan«, bat Haderlein ungeduldig.
    Doch Marina Hoffmann ignorierte gekonnt die Ungeduld ihres
Lieblingskommissars und verteilte zuerst einmal aufreizend langsam ihre frisch
geschmierten morgendlichen Honigbrote. Das letzte gab sie Haderlein, der sie
immer nervöser anschaute. Aber er verkniff sich ein böses Wort. Erstens würde
sie ihm das nicht verzeihen, zweitens musste er jetzt sowieso erst mal das
Honigbrot essen, und drittens gönnte er ihr diesen seltenen Platz an der Sonne.
Bürogeheimnisse waren die heimlichen Höhepunkte im Berufsleben von Honeypenny.
Und sie genoss sie in vollen Zügen. In dem Bewusstsein, dass alle Augen auf sie
gerichtet waren, stellte sie das leere Tablett zurück auf ihren Schreibtisch.
Dann drehte sie sich um, strahlte einen nach dem anderen der honigbrotkauenden
Bürokollegen an und hob dann die Arme zur großen Verkündigung. Haderlein
verdrehte gequält die Augen.
    »Also«, begann sie bedeutungsvoll, »heute Morgen bekam ich einen
Anruf, und ratet mal, von wem.« Sofort prasselten die Kandidatenvorschläge auf
Honeypenny nieder, aber die lächelte nur verschmitzt. »Alles falsch, Ladies and
Gentlemen. Es war die Polizei.«
    »Äh, von der Polizei? Aber das sind doch wir?«, stutzte Cesar
Huppendorfer. Er war Computerexperte und deswegen auch immer derjenige, der
einen Witz zuletzt kapierte.
    »Natürlich sind wir das. Der Schneider von der Bereitschaftspolizei
war dran. Frau Fidibus hat verfrüht die Wehen gekriegt, und die von der Bepo
haben sie ins Klinikum gefahren.« Sie schaute sich triumphierend um.
    »Wieso denn die Bepo?«, fragte Haderlein verwirrt. »Gibt’s denn
keine Sanis in Bamberg? Und wieso ist Fidibus nicht selbst gefahren?«
    Honeypenny strafte ihn mit einem tadelnden Blick. »Das wird seine
Frau schon noch zu verhindern gewusst haben«, erklärte sie ihm. »Schließlich
wollte sie bestimmt auch irgendwann im Klinikum ankommen. Und mit ihrem Mann
als Fahrer wäre das nicht so sicher gewesen. Jedenfalls hat unser Chef in
seiner Panik die Kollegen von unten angerufen, und die haben mich dann
informiert. Er lässt ausrichten, dass er heute auf jeden Fall nicht reinkommt,
da er seine Frau bei der Geburt unterstützen möchte. Und, wie findet ihr das?«
    »Erst mal natürlich gut«, bekannte sich Lagerfeld kauend. Mehrere
Kollegen nickten beipflichtend.
    »Hoffentlich macht er das Kind nicht kaputt«, sorgte sich Cesar
Huppendorfer. Wiederum nickten etliche Männer bestätigend.
    »Sagt mal, wie könnt ihr nur so über euren armen Chef reden?«,
empörte sich plötzlich Honeypenny. »Er wird das schon hinkriegen. Es ist doch
schön, dass er sich so um seine Frau kümmert.«
    »Hauptsache, er redet nicht bei der Geburt«, meinte Haderlein
trocken und stopfte den letzten Rest des Honigbrotes in sich hinein.
    »Genau, das Kind könnte verwirrt reagieren und zum Beispiel einen
Sprachfehler bekommen«, ergänzte Lagerfeld.
    Verärgert schaute Honeypenny in die Runde. »Das ist doch wirklich …«
    »Wahrscheinlich kommt das Kind sowieso schon mit Zigarre auf die
Welt«, fuhr Lagerfeld fort, und es erhob sich allgemeines Gelächter.
    Nur Honeypenny wandte sich frustriert ab und schüttelte den Kopf.
Sie würde Männer nie verstehen. Denen war ja gar nichts heilig. »Komm,
Riemenschneider. Wir Frauen wissen wenigstens, wovon wir reden«, schmollte sie
und setzte sich wieder an ihren Schreibtisch. »Alles Idioten«, grummelte sie
und begann einen Apfel für das Schwein zu schälen.
    *
    Ein großes und ein kleines Bündel trieben unbemerkt zusammen im
Morgendunst den Main hinunter. Die ganze Nacht über waren sie einträchtig immer
wieder umeinandergekreist. Mal wurde ein Gebüsch gestreift oder ein Stein in
einer Biegung berührt, doch kein Hindernis konnte die Fahrt der toten Fracht
stoppen. Kurz vor der Mündung des Mains in den Rhein-Main-Donau-Kanal war es
dann so weit. Das größere der beiden Pakete steuerte exakt auf den breiten
Mittelpfeiler der Eisenbahnbrücke beim kleinen Ort Hallstadt zu. Erst schmiegte
sich der große schwarze Sack an das stromlinienförmig betonierte Fundament,
dann wurde auch der kleinere dagegengetrieben, und die Strömung des

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