Spielzeugsoldaten
- Etwa 2000 Jahre zuvor…
Dieser Tag ist der Höhepunkt einer langen Reihe von Katastrophen, die über mich herein gebrochen sind. Keine Frage! Ich bin ein glücklicher Mann. Frau, Kinder, ein Haus und eine gut bezahlte Arbeit. Doch was hilft es, wenn ich glaube, dass das nicht alles ist? Was wenn ich dennoch umgeben bin von Unglück, das sich immer weiter in mein Leben drängt? Heute fühle ich dieses Unglück hat mich endlich übermannt…
Ich bin Soldat. Nein, ich war Soldat. Ich habe das Leben an der Front nicht ertragen. Ich habe gedacht, ich könnte mit Stolz mein Vaterland verteidigen und all meine Kraft in den guten Kampf legen. Doch der Kampf ist nicht gut. Ich habe ihn nicht verstanden. Ich habe nicht verstanden, warum wir andere Länder erobern müssen und Dörfer mit Ungläubigen überfallen, um sie zu bekehren. Es hatte keinen Sinn. Ich wollte zurück zu meiner Familie und in Frieden leben. Ich wollte mir keine Gedanken mehr machen müssen. Ohne zu wissen, was ich mir antue, habe ich im Gefängnis des Kaisers angeheuert. Ich bin jetzt Wächter und ich dachte , ich beschütze von nun an meine Familie vor all dem S chlechten, dass dort draußen in unserem Land herum läuft. Doch ich musste erkennen, dass ich nicht den Virus allen Übels unseres Landes helfe in Schach zu halten. Nein. Ich bin Teil des Virus.
Jeden Abend höre ich ihre Schreie. Die Schreie der zum Tode V erurteilten. Ich höre ihr B itten und ihr F lehen. Ich musste eines erkennen: Sie haben sich alle nichts zu schulden kommen lassen. Sie haben nur die einzige Waffe benutzt, die sie haben. Sie stellten Fragen. Fragen, für die ich, stolzer Soldat in sauber polierter Rüstung, zu feige war. Sie fragen, warum wir Krieg führen. Sie fragen, warum wir noch mehr Gold brauchen. Sie fragen, warum die Waisen auf den Straßen geschlagen und die a rmen Witwen in die Gossen getreten werden. Sie fragen! Und sie helfen. Sie wagen es aufzubegehren geg en ihre Ohnmacht, gegen die Bar baren, die unsere Führer sind, gegen den Wilden, der sich unser Kaiser schimpft. In den dunklen Ve rliesen, die mein tägliches Brot sind, sind keine Verbrecher. In den Verliesen sind Rebellen, Kämpfer für die gute Sache, unbequeme und mutige Menschen. Für ihre guten Taten und ihre Worte wurden sie mit dem Tode oder mit einem elendige n Leben in diesen Zellen bestraft.
Sie saß immer in der hintersten, dunkelsten Ecke der Zelle. Dort wo es am feuchtesten war. Dort wo die Ratten sich vor dem Licht versteckten. Ich erinnere mich noch gut, wie sie aussah, als man sie her gebracht hatte. Sie trug eine Rüstung wie ein Mann und ihr Schwert hielt sie fest umklammert, obwohl sie zu wissen schien, dass sie keine Gelegenheit haben würde, es zu benutzen. Sie wehrte sich nicht. Sie fügte sich, doch in ihren Augen blitzte Stolz , so blank wie ihr Schwert . Sie sprach nicht. Sie schrie nicht. Sie war stumm. Ihr Starrsinn faszinierte mich. I ch wollte ihre Geschichte hören.
Wochenlang bin ich um ihre Zelle herumgeschlichen. Viele Gefangene erzählen von allein. Sie wollen ihr Schicksal teilen. Sie suchen Trost oder Verständnis. Doch sie nicht. Sie blieb stumm. Irgendeines Tages schob ich ihr mein Essen, das mir meine Frau für den Tag mitgegeben hatte, zu. Ich hatte nichts anderes, um sie zu bestechen. Hunger musste sie haben. Meine Neugier war größer als mein Hunger.
„Was willst du von mir?“ Ihre Stimme war heiser und rau.
„Ich will wissen , warum du hier bist.“
Und so begann es. All ihr Leid brach über mich hinein. In all ihrer Härte wurde ich nun Tag um Tag von der Traurigkeit umgeben, die diese Frau ihr Leben lang begleitet hatte. Sie war vo m Schicksal bestraf t. Ich war kein gläubiger Mann . Beileibe nicht! Wie konnte ich das sein in einer Welt wie dieser? Dennoch war ich überzeugt, das s ihr Leben eine Strafe der Götter sein musste.
Sie reiste durch die Welt. Sie kannte viele Winkel von denen ich nie gehört, geschweige denn zu träumen gewagt hatte. Sie half den Menschen immer dort wo sie konnte und es machte sie glücklich. Sie wollte nur die Welt sehen und leben. Doch wer viele Freunde hat, hat auch viele Feinde. Sie erzählte von all den Schlachten, die si e schlagen musste. Von den Verliesen aus denen sie bereits entkommen war und von all den Menschen, die ihr in Hass Heerscharen nachjagten. Sie war doch nur eine Frau, dachte ich. Warum ließ man sie nicht gewähren?
„Du musst mir helfen“ , flüsterte sie eines Tages.
Ich wusste was sie
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