Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Alabastergrab

Titel: Das Alabastergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
Vom Netzwerk:
Bauch voraus zu Boden. Lektion Nummer zwei in der Nahkampfausbildung
des Polizeilehrlings. Applaus von den Umstehenden brandete auf.
Bewegungsunfähig und total verblüfft lag der renitente Hobbysänger auf dem
Boden. Mit einer schnellen Bewegung zückte Lagerfeld lässig seinen
Dienstausweis und hielt ihm die Marke direkt vors Gesicht.
    »Kriminalpolizei Bamberg«, zischte er dem am Boden Liegenden ins
Ohr. »Ich werde dich jetzt wieder loslassen, dann wirst du aufstehen, deinen
verfickten Lautsprecher einsammeln und dich schleichen, verstanden? Ansonsten
buchte ich dich wegen tätlichen Angriffs auf die Staatsgewalt ein.«
    Lagerfeld ließ den Mann los und harrte der Dinge, die da kommen
würden.
    Flugs sprang sein Opfer auf und blickte mit dem Ausdruck eines
gehetzten Waldaffen um sich. »Aber des Singa könnt ihr mir net verbieten!«,
rief er leicht verunsichert und mit den Armen fuchtelnd in die Runde. Dann
schnappte er sich seine Soundmaschine, schwang sich auf sein verbogenes Zweirad
und radelte lauthals grölend davon. Das Lied klang irgendwie nach »Strangers in
the Night«, aber sicher war sich Lagerfeld nicht. Mehrere Passanten kamen
plötzlich auf ihn zu, um sich zu bedanken. Dabei fielen Kommentare wie »Des hat
der scho lang amal gebraucht« oder »Wennse den ner amal richtig lang eigsperrt
hättn …« und Ähnliches.
    Ohne es zu wissen, hatte Lagerfeld der Stadt Coburg offensichtlich
einen großen Dienst erwiesen. Mehrmaliges Schulterklopfen und Danksagungen
waren ein untrügliches Indiz dafür. Zufällig fiel sein Blick auf die verglaste
Fassade des HUK -Gebäudes, an der,
wie er feststellte, sich die Mitarbeiter das Spektakel natürlich nicht hatten entgehen
lassen. Im obersten Stockwerk konnte er Ute von Heesen erkennen, die ihm ein
kurzes Lächeln schenkte und sich dann abwandte.
    Mit dieser Geste kehrte die Sonne in Lagerfelds Tag zurück. Jetzt
wusste der Kommissar, wie sich Superman bei seiner Arbeit gefühlt haben musste.
    *
    Das Handy vibrierte. Er hatte den Ton abgestellt, um nicht inmitten
all der ihn umgebenden Prominenz durch Unhöflichkeit aufzufallen. In seiner
Position konnte er sich das nicht leisten. Unbemerkt neigte er seinen Kopf in
Richtung Fenster, damit er ungestört sprechen konnte.
    »Ja?«
    »Ich habe alles arrangiert. Ich denke, dass es innerhalb weniger
Tage zuverlässig erledigt sein wird«, hörte er die vertraute Stimme.
    »Zuverlässig?«, hakte er nach. Er musste sicher sein.
    »Ja. Extrem zuverlässig. Wir arbeiten sauber und schnell. Bevor die
Polizei überhaupt mitkriegt, was los ist, wird das Problem gelöst sein.«
    »Gut«, erwiderte er. »Vermutlich wird mich die Polizei auch bald
befragen. Bis dahin sollte alles vorbei sein.«
    »Mach dir keine Gedanken, Nikolai ist der Beste, den die Szene
momentan zu bieten hat. Dafür kostet er ja auch genug.«
    »Was ist mit dem Buch?«, fragte er mit heiserer Stimme.
    »Nikolai wird auch das finden«, kam die knappe Antwort zurück.
    »Okay«, sagte er noch kurz, dann legte er auf und atmete ein Mal
tief durch. Nachdem er das Handy wieder an seinen Platz gesteckt hatte, wandte
er sich mit seinem charmantesten Lächeln wieder der feiernden Gesellschaft zu.
    *
    Kommissar Haderlein hatte die Autobahn Schweinfurt–Erfurt an der
Anschlussstelle Bad Neustadt/Saale verlassen und fuhr nun auf der Bundesstraße
Richtung Bischofsheim, das ein kleiner Ort am Fuße des Kreuzbergs in der Rhön
war.
    Eigentlich eine nette Gegend hier, dachte er, während er entspannt
die sanft hüglige, aber karge Landschaft betrachtete. Irgendetwas hatte es mit
diesem Kolonat Schleycher auf sich, und der Weg zur Lösung dieses Rätsels
musste über das Kloster führen. Haderlein war nun schon auf zwei Hinweise
gestoßen, die das Kloster als Bezugspunkt in diesem Fall nannten: die
Visitenkarte in Rasts Tagebuch und der Zeitungsartikel mit Kolonat Schleychers
Konterfei. Was hatte der Umweltminister mit Edwin Rast zu schaffen gehabt? Die
Problemstellung zementierte sich immer prägnanter in Haderleins Gehirn. Ohne
lange zu überlegen, drückte er die Kurzwahltaste seiner Freisprecheinrichtung.
    »Polizeiinspektion Bamberg, Hoffmann am Apparat«, tönte es ihm aus
den Radiolautsprechern entgegen.
    »Honeypenny, ich bin’s«, begrüßte er die liebste aller Bürokräfte.
»Sie müssten was für mich rauskriegen.«
    »Fidibus hat noch nicht entbunden, falls es das ist, was Sie wissen
wollen.«
    Haderlein musste lachen. »Nein, das war’s eigentlich

Weitere Kostenlose Bücher