Das Alabastergrab
teilte uns Bruder
Eduard nach dem Morgengebet mit, dass uns der Bamberger Bischof darum bäte,
kurzfristig einen Bruder namens Kolonat aufzunehmen. Einen Priester, der schon
einmal in der Nähe in Waldberg eine Pfarrei geleitet hatte. Am nächsten Morgen
reiste Bruder Kolonat in einem Auto des Bamberger Bischofs an, und dann war er
über drei Jahre hier.«
»Und anschließend hat er das Kloster einfach so verlassen können?
Ich dachte, im Kloster sei man auf immer und ewig?«
Der Geistliche lächelte. »Nicht unbedingt, Herr Kommissar. Sie
können sogar Ihr Gelübde nur auf eine bestimmte Zeit leisten. Aber auch
prinzipiell kann Sie niemand zwingen, im Kloster zu bleiben. Das wäre ja
Freiheitsberaubung. Wir sind ja hier nicht bei den Prä….«
»Ja, danke …«, schnitt ihm Haderlein schnell das Word ab. »Gab es
denn irgendwelche besonderen Vorkommnisse, während Bruder Kolonat bei Ihnen
war?« Er legte Bruder Anselm den Zeitungsausschnitt vor.
»Ach das, ja.« Anselm nickte traurig, als er sich daran erinnerte.
»Wir waren alle schockiert, als das passierte. Blinder Vandalismus. Aber Bruder
Kolonat hat damals sofort die Initiative ergriffen und die Kreuzwegstation
eigenhändig repariert. Damals hatten wir noch sehr wenig Geld, und Bruder
Kolonat hatte sogar aus Bamberg jemanden kommen lassen, der kostenlos
Baumaterial spendete. Da war er gerade mal eine Woche hier, glaub ich. Das hat
ihm damals viel Sympathien eingebracht. Er war schon immer ein tatkräftiger
Mensch. Konnte sich schnell entschließen.«
»Wissen Sie eigentlich, warum er das Kloster dann verlassen hat?«
»Nein, aber danach fragt hier auch niemand. Jeder hat seine
persönlichen Gründe. Ich glaube, es hat ihn einfach schon immer in die Politik,
in leitende Positionen gezogen. Bruder Kolonat war kein Mensch für eine
Bruderschaft – nicht auf Dauer.«
»Sagen Sie, Bruder Anselm, kennen Sie vielleicht auch einen Edwin
Rast? Sagt Ihnen der Name etwas?«
Der Pater überlegte kurz, aber gründlich. »Nein, der Name sagt mir
überhaupt nichts«, musste er dann zugeben. Als Haderlein ihm das Foto aus Rasts
Personalausweis auf den Schreibtisch legte, studierte Anselm das Gesicht
gründlich, gab es dann aber mit einem ehrlich enttäuschten »Nein, nie gesehen«
wieder zurück.
Haderlein überlegte kurz. Eigentlich hatte er alles gefragt, was er
fragen wollte. Pater Anselm bemerkte den Abschiedsblick auf Haderleins Gesicht.
»Wissen Sie was, Herr Kommissar, wenn Sie jetzt schon hier sind,
zeige ich Ihnen unser Kloster, und danach trinken Sie mit mir ein Bier auf
unsere Kosten. Ist das ein Angebot?« Er hatte beide Arme wie zur Predigt
emporgehoben und feixte über das ganze Gesicht. Eine Ausstrahlung wie ein
Bierdeckel. Haderlein musste lachen.
»Aber nur, wenn Sie uns einen Platz in der Klosterstube besorgen.
Auf weitere Zweikämpfe da draußen möchte ich mich nicht mehr einlassen.«
»Das kann ich einrichten«, grinste Bruder Anselm und nahm Haderlein
am Arm. »Zuerst, Herr Kommissar, zeige ich Ihnen die Brauerei.«
*
Beate Graetzke machte sich Sorgen. Gestern Abend hatte ihr Mann
angerufen und ihr im hektischen Tonfall mitgeteilt, dass er erst mal nicht nach
Hause kommen würde. Streng hatte er ihr befohlen, der Polizei nichts von seinem
Anruf zu erzählen, ansonsten könne sie sich auf Ärger einstellen.
Doch jetzt war sie verunsichert. Sie hatte schon immer geahnt, dass
die Sache, die ihr Mann und Edwin da zusammen ausgeheckt hatten, schiefgehen
würde. Aber es hatte ja keiner wissen können, dass das alles so enden würde.
Wie dem auch war, ihr Mann konnte ihr erzählen, was er wollte. Wenn wirklich
irgendwann die Polizei vor der Tür stand und bestimmte Dinge wissen wollte,
würde sie alles sagen. Gestern wäre es fast schon passiert, da hatten diese
zwei Polizisten nach ihrem Mann gefragt. Aber eben nur nach ihm gefragt, nichts
weiter. Aber wenn die mal die richtigen Dinge wissen wollten, dann würde sie
reden. Basta. Sie hatte keine Lust, wegen der blöden Anglerei ins Gefängnis zu
wandern.
Ihr Blick glitt über die Veranda hinaus. Das kleine Häuschen in
Rödental bei Coburg war am Berg in den Hang gebaut worden. Ihr Mann hatte das
Haus im Zuge einer Privatinsolvenz billig gekauft. Ansonsten wäre es
unbezahlbar gewesen. Es war nicht groß, dafür aber mit unverbaubarem Blick ins
Tal und weitab von jedem anderen Gebäude, um nicht zu sagen einsam. Manchmal
vermisste sie Menschen um sich herum, aber ihr Mann hasste
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