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Das Alabastergrab

Titel: Das Alabastergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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Gelegenheit geben, der
diskriminierten Minderheit von Rauchern einen abgetrennten Raum in ihren
Gaststätten zur Verfügung zu stellen. Diese Initiative wird Bayern im Bundesrat
…«
    »Das ist der doch«, platzte Lagerfeld heraus. »Der hält gerade eine
Pressekonferenz, weil er das Nichtraucherschutzgesetz ändern will. Ja! … Aua!«,
rief Lagerfeld hocherfreut, um sich dann sogleich schmerzverzerrt die rechte
Hand zu halten, mit der er vor Begeisterung gegen das Dach des Multiplas
geschlagen hatte.
    »So ist es recht, braves Auto«, kommentierte Haderlein Lagerfelds
Schmerz. »Ihr Raucher freut euch doch über alles, was euch darin bestärkt,
irgendwo und irgendwie weiterpaffen zu können. Ihr armen Sklaven eurer Sucht.«
    »Ach was, ich könnte jederzeit aufhören«, entgegnete Lagerfeld,
während er seine Hand untersuchte. »Wegen einer Schachtel am Tag ist man doch
nicht gleich süchtig.«
    »Ist ja auch egal«, lenkte Haderlein ein, »aber krank macht das Zeug
auf jeden Fall. Vielleicht wirst du vom ja Nikotin impotent, und dann reicht’s
nicht mal mehr für vierzigjährige Omas.«
    Doch Lagerfeld schien irgendwie nicht zum Scherzen aufgelegt zu
sein. »Sehr witzig«, erwiderte er eingeschnappt. Beim Thema Rauchen
beziehungsweise dessen Schädigungen verstand er keinen Spaß. Da war er
militant. Einschränkungen in der Ausübung waren für ihn Terroranschläge auf
seine Freiheitsprivilegien und damit im Allgemeinen und Speziellen abzulehnen.
    »Wir sind da«, versuchte Haderlein einen Themenwechsel.
    Sie stellten den Fiat auf dem allgemeinen Touristenparkplatz ab, der
vom eigentlichen Tagungshaus durch die Straße getrennt wurde. Ein Stück weiter
oben nahm das Bayerische Fernsehen jedes Jahr die erfolgreiche Sendung »Songs
an einem Sommerabend« auf, und links befand sich an einem steilen Hang ein
offizieller Startplatz für Gleitschirmflieger. Gerade eben machte sich wieder
einer auf, um sein Glück in der Thermik zu suchen.
    Haderlein sah auf die Uhr. Bis zum Termin hatten sie noch etwas
Zeit. Außerdem ließ der Umweltminister ja sowieso gerade sein Statement vor der
versammelten Presse vom Stapel.
    »Was wollen wir eigentlich von diesem Schleycher?«, erkundigte sich
Lagerfeld, während er sich eine Zigarette anzündete und interessiert den
Gleitschirmflieger mit seinem pinkfarbenen Schirm beobachtete, der vergeblich
versuchte, sich in die Lüfte zu erheben.
    »Wir werden ein wenig auf den Busch klopfen, was sonst?« Haderlein
kaute auf seiner Unterlippe rum. »Irgendeine Verbindung muss es ja zwischen
Rast und Schleycher geben, sonst hätte sich der Angler nicht so sehr für den
Minister interessiert.«
    »Aber der genießt doch Immunität, oder? Ich meine, dem können wir
nicht so einfach Dampf unterm Hintern machen«, zweifelte Lagerfeld etwas
unsicher.
    »Wer redet denn von Dampfmachen, mein lieber junger Kollege. Wir
wollen ihn ja auch nicht verhören, sondern nur befragen, das ist ein kleiner,
aber feiner Unterschied. Auch wenn dir, wie ich aus Erfahrung weiß, solche
Unterscheidungen bisweilen unnötig erscheinen.«
    Lagerfeld fühlte sich ertappt und verzog schuldbewusst das Gesicht.
    »Aber merk dir, ein Minister ist auch nur ein Mensch, selbst wenn er
von der CSU ist. So, dann wollen
wir mal«, grinste Haderlein und klopfte Lagerfeld etwas zu stark auf die
Schulter, dass der erschrocken zusammenzuckte. Auch der Gleitschirmflieger
musste in diesem Moment eine plötzliche und schmerzliche Erfahrung machen,
allerdings beim Zusammentreffen mit einem Holunderbusch.
    *
    In der Nürnberger Straße bog Nikolai durch eine große Toreinfahrt
aus Sandstein und folgte der engen, geteerten Straße, bis diese eine scharfe
Biegung nach rechts machte. Zu beiden Seiten säumten kleine, verfallene
Gartenhäuschen die Straße und gaben dem Ambiente einen Touch von zerfallenem
Abrissviertel. Die schlaglöchrige Straße endete in einer Sackgasse direkt an
einem alten, verwahrlost wirkenden Sandsteingebäude, in das die Jahreszahl
»1250« eingemeißelt war.
    Das Haus lag im Schatten der umliegenden Häuserrückseiten und war
nur zu sehen, wenn man die Sackgasse bis zum letzten Ende fuhr. An das
eingeschossige Häuschen war in jüngerer Zeit ein alter Holzschuppen mit großem
Holztor angebaut worden, in dem Nikolai nun seinen BMW parkte.
    Er wühlte in seinen beiden Taschen nach der Chipkarte, die er mit
der Post erhalten hatte, und öffnete mit ihr das elektronische
Sicherheitsschloss der hölzernen Haustür.

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