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Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Titel: Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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sie vor ihrer Hinrichtung foltern, um alles, was sie wussten, aus ihnen herauszupressen.
    Trotz all der Leiden, deren Zeuge Bryan im Krieg bereits geworden war, fand er, es habe sie ungebührlich hart getroffen. Er wollte noch nicht sterben. Es gab noch so viel, für das es sichzu leben lohnte. Der Gedanke an seine Familie ließ ihm ganz warm ums Herz werden und löste Wehmut und Verzweiflung in ihm aus.
    Für einen Moment entspannte sich Bryans Körper   – und seine Blase konnte sich endlich entleeren.
     
    Allmählich ratterte der Zug wieder in seinem gewohnten Rhythmus. Das Licht der bleichen Wintersonne fand seinen Weg in den Wagen, wenn auch gedämpft durch die mattierten Scheiben. Stimmen kündigten neue Untersuchungen an.
    Ein hochgewachsener Mann im Kittel, gefolgt von Krankenschwestern und Pflegern, steuerte zielstrebig auf das erste Bett zu und schlug energisch das Krankenblatt auf. Dann notierte er etwas, riss das Papier ab und reichte es der Krankenschwester.
    Keiner der Patienten wurde untersucht. Der hochgewachsene Militärarzt lehnte sich kurz über die Fußenden, wechselte ein paar Worte mit dem Personal, erteilte die eine oder andere Anweisung und ging schnell weiter zum nächsten. Beim Bett, in dem Bryan lag, sah er respektvoll auf die Karte, flüsterte der Oberschwester ein paar Worte zu und schüttelte dann den Kopf.
    Anschließend deutete er auf James’ Kopfende, worauf ein junges Mädchen herbeisprang und es höher stellte. Bryan gab sich alle Mühe, flach zu atmen und sich weit weg zu phantasieren. Horchten sie sein Herz ab, würden sie merken, wie es galoppierte.
    Die Gruppe blieb lange am Fußende seines Bettes stehen und beriet sich. Bryan erkannte die hohe Stimme der Oberschwester wieder. Er ahnte, dass sie mit seinen Reaktionen oder seinem Allgemeinzustand unzufrieden waren. Das Bett schwankte leicht, als sich jemand dicht hinter ihn stellte. Dann packten große Hände ihn bei den Armen und rollten ihn auf den Rücken. Einem sanften Schlag mit Fingerspitzen auf seine Augenbrauen folgte ein zweiter. Bryan war sicher, dass er geblinzelt hatte, und hielt nun fast vollkommen die Luft an.
    Die Stimmen redeten durcheinander. Völlig unerwartet zog jemand mit dem Daumen sein Augenlid hoch. Grelles Licht aus einer Taschenlampe blendete ihn. Dann schlugen sie ihn auf die Wangen und leuchteten ihm wieder ins Auge.
    Er spürte einen kalten Luftzug an den Füßen und wie jemand seine Zehen berührte. Der Arzt zog noch einmal sein Lid hoch. Bryan reagierte nicht auf die vielen oberflächlichen Stiche in die Zehen. Stocksteif lag er da. Er hatte Todesangst.
    Auf den mit Salmiak getränkten Lappen, den sie ihm dann auf Nase und Mund pressten, war er nicht vorbereitet. Gehirn und Atemwege reagierten prompt auf die Ätze. Bryan riss die Augen auf, versuchte, dem Lappen zu entkommen, indem er den Kopf rückwärts ins Kissen presste, und japste nach Luft.
    Durch einen Tränenschleier sah er ein Augenpaar, das ihm ganz nahe kam. Der Arzt sagte ein paar Worte zu ihm und schlug ihn sanft auf die Wange. Dann richtete er ihn wieder auf und zog das Kopfende weiter hoch, sodass Bryan sich halb sitzend seinen Feinden gegenübersah.
    Bryan beschloss, die Wand hinter ihnen zu fixieren. Beim nächsten Schlag riss er die Augen weit auf. »Luft anhalten   … nicht blinzeln.« Mit solchen Wettbewerben hatten James und er sich oft die Zeit vertrieben in dem Zimmer hinter der Küche des Sommerhauses in Dover.
    Die Schläge wurden fester. Bryan leistete keinen Widerstand und ließ den Kopf leicht hintenüber kippen, als säße er gar nicht fest. Nach einigem weiteren Palaver ging die Gruppe weiter. Nur einer blieb noch einen Moment an seinem Bett stehen und notierte etwas auf der Krankenkarte. Mit einem Knall ließ er sie wieder herunterklappen.
    Bryan hielt die Augen offen. Er spürte, wie man ihn während der restlichen Visite unaufhörlich beobachtete. Dann fielen ihm langsam die Augen zu.
    Die Spritze, die man ihm schließlich verabreichte, spürte er kaum.

4
    »KOMM SCHON!« Die Stimme kam von weit her, mischte sich unter sommerliche Geräusche, unter neblig verschwommene Bilder. »Nun komm schon, Bryan!«
    Die Stimme wurde dunkler und fester. Er hatte das Gefühl, leicht zu schaukeln. Dann merkte er, wie jemand an seinem Arm zupfte. Es dauerte geraume Zeit, ehe Bryan bewusst wurde, wo er sich befand.
    Im halbdunklen Wagen war es still. Noch ein Stupser, dann ein vorsichtiges Lächeln von James. Da lächelte

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