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Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Titel: Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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verfluchte den Moment, in dem James und er auf dem Weg von der Turnhalle zu den Holzbaracken getrennt worden waren. Wäre das nicht passiert, würden sie jetzt immer noch nebeneinander liegen, und das wäre zweifellos sicherer.
     
    Nun war dieser hohe, hellgrüne Raum also seine Welt. Seine Habseligkeiten lagen auf einem der zweiundzwanzig im Mittelgang stehenden Stühle, deren Farbe bereits abblätterte. Ein Nachthemd, ein Paar Pantoffeln und ein dünner Schlafrock, das war alles, was er besaß.
    Vier der Betten waren bei ihrem Eintreffen bereits mit bewusstlosen, verbundenen Verletzten, die restlichen mit Soldaten aus demselben Transport belegt. Jeder bekam das Bett, vor dem er zufällig stehen geblieben war. Bis die Schwestern kamen und die Pillen verteilten, hatten sich schon zwei mit Schuhen aufs Bett gelegt und das Bettzeug durcheinandergebracht. Jeder Mann bekam zwei Pillen und einen Schluck Wasser aus einem Becher, der regelmäßig aus einer weiß emaillierten Wasserkanne aufgefüllt wurde.
    Die Schwestern waren mit ihrer Runde fast fertig.
    Der Geruch der ersten Mahlzeit war undefinierbar, zwar nicht gerade verlockend, aber doch außerordentlich appetitanregend. Bryan hatte seit Tagen nicht gewagt, an Essen zu denken. Aber nun lief ihm das Wasser im Mund zusammen, und die letzten Sekunden der Wartezeit wurden ihm quälend lang.
    Die Klumpen auf den Tellern aus unzerbrechlichem Material ähnelten Sellerie, waren aber völlig geschmacklos. Vielleicht war es Kohlrabi, Bryan hatte keine Ahnung. In der Familie Young war man andere Kost gewohnt.
    Die Männer schaufelten sich das Essen gierig mit den Löffeln in den Mund, ihr Kauen hatte etwas Animalisches. Bryanschloss daraus, dass einige Sinne doch noch funktionierten.
    James’ leerer Teller stand gefährlich nahe an der Bettkante. Seine tiefen Atemzüge und die entspannte Miene zeugten von der unglaublichen Anpassungsfähigkeit des Menschen. Bryan beneidete James um seinen ruhigen Schlaf. Ihn selbst beherrschte noch immer die Angst, sich im Schlaf zu verraten. Ein Wort genügte, und er würde enden wie der arme Teufel in der Turnhalle. Der lag nun zwischen den Baracken im Schnee. Sie hatten ihn auf dem Weg hier herüber dort liegen sehen.
    Etwas Süßliches mischte sich unter den faden Geschmack des Kohlrabis. Bryan wurde immer schwindliger, er konnte sich nicht mehr konzentrieren. Die Tabletten begannen Wirkung zu zeigen.
    Ob er es wollte oder nicht, nun würde er schlafen.
    Sein Nachbar zur Rechten lag auf der Seite, er starrte mit leerem Blick auf Bryans Kissen und bemerkte offenbar selbst gar nicht, dass er immer wieder laut furzte. Das war das Letzte, was Bryan mitbekam, ehe ihn der Schlaf übermannte.

8
    ES WIRD SCHON gut gehen! Zu diesem Gedanken hatte sich Bryan gezwungen, als sie ihn zum ersten Mal durch die Glastür brachten.
    Viele waren schon draußen in den Untersuchungsräumen gewesen. Und wenn sie auch schlaff und apathisch zurückkamen und oftmals stundenlang wie tot auf ihrem Bett lagen, erholten sie sich anschließend wieder und schienen keinen bleibenden Schaden davonzutragen.
    Außer der Schwingtür zum Krankenzimmer, die Bryan bis dahin natürlich nur von innen kannte, mündeten insgesamt sechs Türen auf den Korridor. An beiden Enden waren die Ausgänge, die letzte Tür links gehörte zum Aufenthaltsraum des Pflegepersonals, die Tür davor ging in den Behandlungsraum. Von den beiden letzten vermutete Bryan, dass sie in den Trakt der Ärzte führten.
    Im vorletzten Raum standen mehrere Krankenpfleger und Ärzte bereit und erwarteten ihn. Noch ehe er wusste, wie ihm geschah, hatten sie Bryan mit Ledergurten festgeschnallt und ihm eine Spritze gegeben. Dann setzten sie die Walzenelektroden an seine Schläfen. Die elektrischen Schockwellen lähmten ihn auf der Stelle und beraubten ihn für Tage aller Sinne.
     
    Eine Behandlungseinheit bestand für gewöhnlich aus höchstens einer Schockbehandlung pro Woche, und das fünf bis sechs Wochen lang. Dann folgte eine Ruhephase. Noch ahnte Bryan nicht, ob man die Behandlung bei ihm wiederholen würde, aber einiges deutete darauf hin. Jedenfalls bekamen die ersten Patienten nach einem Monat Pause gerade eine neueSerie verabreicht. Während der Ruhephasen bekamen sie Tabletten. Jeder musste täglich eine oder zwei einnehmen. Und alle bekamen sie dasselbe Medikament.
    Bryan zermarterte sich den Kopf darüber, was sie hier eigentlich mit den Patienten vorhatten. Und er machte sich Sorgen, was eine

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