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Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Titel: Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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schleppte den Befragten hinter sich her.
    Sofort waren zwei Wächter zur Stelle und schnappten sich den Mann, der die apathische Gesellschaft aus wilden Augen anstarrte. Vergeblich suchte er nach etwas, woran er sich klammern konnte. Bryan ließ den Blick teilnahmslos in seine Richtung schweifen. Dem Mann lief das Blut vom Haaransatz auf die Stirn. Auch ihn hatte ein Gegenstand getroffen. Vielleicht hatte er den Fehler gemacht und versucht, sich zu schützen.
    Der Vorgesetzte ließ sich auf einer Ecke des Tischs hinter sich nieder. Grimmig lächelnd sah er zu, wie die Wächter den Patienten zwischen den Reihen der anderen hindurch schleppten, damit ihn alle von Nahem sehen konnten. Dann verschwand das Lächeln. Unverhohlen aggressiv holte er tief Luftund schrie den in Reih und Glied aufgestellten Männern ihre Anklagen ins Gesicht, seine Worte überschlugen sich förmlich. Eines aber war unmissverständlich:
    »Simulant!«
    Der so beschuldigte Mann hörte plötzlich auf zu zittern. Schuldbewusst und enttarnt ließ er den Kopf hängen, bereit zur Buße.
    Urplötzlich brach der Wutanfall des Offiziers ab. Jovial und breit lächelnd hob er beide Arme. Mit ruhigen Worten appellierte er an seine Zuhörer. Bryan begriff, dass er versuchte, mögliche andere Simulanten zu überreden, ihr Spiel aufzugeben, solange noch Zeit war. Dann würde ihnen nichts geschehen.
    Auf keinen Fall durfte Bryan zu James hinübersehen oder sich gar zu erkennen geben, solange dieses schwarze Ungeheuer sie inspizierte. James, wir melden uns nicht!, flehte Bryan innerlich und beschwor damit vor allem sich selbst.
    Lächelnd und abwartend stand der Offizier den Männern gegenüber, genauso lange, wie Bryan für ein Vaterunser brauchte. Dann trat er urplötzlich einen Schritt hinter den Enttarnten, zog blitzschnell seine Pistole aus dem Halfter, und noch ehe der Delinquent schreien konnte, hatte der Offizier ihn mit einem Genickschuss hingerichtet.
    Die versammelten Männer zuckten nicht einmal zusammen. Aus dem Hinterkopf schoss das Blut. Bryan verfolgte unmerklich, wie es über den Fußboden in James’ Richtung floss. Der stand wie angewurzelt und war kreidebleich im Gesicht.
    Die beiden Wächter packten den Toten und zogen ihn hinter sich her. Einer der Ärzte hatte noch immer die Hände vors Gesicht geschlagen, ein Schockreflex. Als er sich gefasst hatte, protestierte er matt. Der Sicherheitsoffizier machte einfach auf dem Absatz kehrt. Der Vorfall würde in keinem Bericht erwähnt werden.
     
    Nachdem James hinter dem Vorhang verschwunden war, begann Bryan, die Sekunden zu zählen. Als er bei zweihundert angelangt war, wurde James wieder herausgeführt. Er wirkte wie paralysiert, als wäre er ganz weit weg. Der Mann, der nach ihm an der Reihe war, blieb stehen, er schien den Zuruf des Arztes, der den Vorhang hielt, nicht zu bemerken. Als die Soldaten ihn bei den Armen nehmen wollten, sank er ganz langsam in sich zusammen. Da griffen die Wächter nach dem nächsten und zogen ihn um den Liegenden herum. Der war auf die Seite gerollt und wimmerte leise, wie im Wahn, immer wieder einen Namen, den Bryan schon einmal gehört hatte. Den der Liebsten, der Ehefrau, Mutter oder Tochter?
    Wenige Schritte entfernt hatte James wieder sein langsames, tonloses Summen begonnen. Sein schmächtiger Nebenmann in der Zwangsjacke wirkte hoch konzentriert, als grübelte er. Derweil tropfte Urin von dessen Hemd, das sich dunkel verfärbte.
    Vielleicht hat er zu gierig von dem Wasser getrunken, als er unter der Dusche nach oben starrte, dachte Bryan.
     
    Erschrocken wachte er auf. Jemand hatte auf Englisch »Lass mich!« gerufen. Womöglich er selbst? Schließlich hatte er die Worte verstanden. Bei der Vorstellung wurde es Bryan eiskalt. Er sah hinüber zur Krankenschwester, die gerade an seinem Bett gestanden hatte. Er war offenbar nur ganz kurz eingenickt. Die Schwester schenkte ein Glas Wasser ein und legte seinem Nebenmann zwei Tabletten in den Mund. Sie schien nichts gehört zu haben. Vielleicht hatte er ja nur geträumt.
    Man hatte sie verlegt. Bryan sah sich in der neuen Umgebung vorsichtig um. Sie lagen in Krankenbetten in einem hohen, hellgrünen Raum, vielleicht zwanzig Meter lang und zehn Meter breit. Er war für zweiundzwanzig Betten ausgelegt, auf der einen Seite standen zwölf und auf der anderen zehn, alle dicht gedrängt und kreuz und quer.
    Bryan lag im fünften Bett links von der Tür, James auf der gegenüberliegenden Seite ganz hinten. Bryan

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