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Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Titel: Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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sich sehr gut an Hitlers Geburtstag und an den kalten Weg zurück vom Appellplatz um die großen Fichten herum, die auf der Ostseite über den Zaun ragten. Ein kleiner Spaziergang würde reichen, und er wüsste, ob der Sprung zu schaffen war.
    Aber es gab noch eine andere Möglichkeit, das zu erkunden. Von James’ Krankenzimmer aus könnte er vom Fenster dort blitzschnell den Abstand abschätzen.
    Bryan nickte entschlossen. So konnte es gehen.
    James musste sowieso bei der nächsten Gelegenheit in die Fluchtpläne eingeweiht werden.
     
    Sie war so überrumpelt, dass sie ihre Handtasche nahm und auf den Gang stürzte. Gisela Devers hatte in der Sekunde, bevor sie Bryan küssen wollte, das Knarren der Tür gehört. Lächelnd stand Kröner in der offenen Tür. Er hatte auf der Lauergelegen und den Austausch von Zärtlichkeiten beobachtet. Die Blicke, die die beiden Männer tauschten, waren eiskalt. Eben noch hatte Bryan die Seide und die weichen Rundungen ihres Körpers gespürt, und in der nächsten Sekunde war er mit dem süffisanten Lächeln des Pockennarbigen konfrontiert. Ihm wurde heiß und kalt vor Hass.
    Als Bryan sich drohend im Bett aufrichtete und aufstand, grinste Kröner noch immer. Der Pockennarbige zog sich zurück auf den Gang und ging mit der Hand vorm Gesicht in Richtung der Toiletten. Die Wachen stutzten, als Bryan ihm folgte. Im selben Moment, als Kröner sich im WC einschloss und so seinem Verfolger entkam, ließ ihre Aufmerksamkeit nach. Bryan wusste nicht, was er eigentlich wollte. Er hörte Kröners Gelächter. Was konnte er tun?
    Die Wachen nahmen ihr leises Gespräch wieder auf. Alles wirkte ruhig wie immer. Kröner war still geworden. Neben der Tür zur Toilette, hinter der Kröner verschwunden war, klapperte die Tür zum Duschraum. Sie war nur angelehnt, genau wie die Tür ein paar Meter weiter. Diese hellgrüne Fläche hatte Bryan nie als Tür aufgefasst, für ihn war das nur ein Stück Wand vor der Glastür zur Hintertreppe gewesen.
    Als Bryan auf die Tür zuging, kam von den beiden Wachleuten keine Reaktion. Als er sie aufzog, wusste er auch, warum.
    Dahinter verbarg sich eine weitere Toilette.
    Kröner grinste auch noch bei seiner Runde mit den Schwesternhelferinnen und dem Essenswagen am selben Abend. Als er Bryan sah, zog er jovial die Augenbrauen hoch, kam näher und flüsterte höhnisch: »Bald, Herr von der Leyen! Sehr bald, sehr, sehr bald!« Bryan verstand die Bedeutung der Worte nicht.
    Immerhin   – eines der Fluchtprobleme war nun gelöst: In der neu entdeckten Toilette gab es ein Fenster! Es ließ sich vermutlich nicht öffnen, aber die Aussicht war verheißungsvoll.
    Die Toilette lag in dem Anbau, in dem sich auch die Hintertreppebefand. Deshalb hatte man freie Aussicht auf die Fassade, vorbei am Duschraum, an der Toilette, am Untersuchungsraum, am Zweibettzimmer, am mysteriösen Einbettzimmer bis hinüber zur Ecke des Gebäudes, wo Bryans Zimmer lag. Eine wunderbare Aussicht, und an der Fassade alle drei oder vier Meter Fallrohre. Besonders das Rohr vor dem Raum, den niemand außer dem Oberarzt betrat, war interessant. Nicht, weil das Rohr in einer Art Schuppen endete, in dem die Abfalleimer standen, sondern, weil es in der obersten Etage genau vor einer Gaube in der Dachschräge verankert war.
    Das Fenster der Dachstube stand offen, und die Sonne beleuchtete die Regale im Zimmer und die Wäsche, die darauf lag.
    Bryan musste nach oben, nicht nach unten.
     
    In den nächsten Tagen erschien Gisela Devers nicht.
    Bryan vermisste sie.
    Nach zwei Nächten mit Albträumen und zwei Tagen in tiefer Einsamkeit war sie urplötzlich wieder da. Als sei nichts geschehen, saß sie am dritten Morgen am Bett ihres Mannes und las. In den wenigen Stunden sagte sie kein Wort und machte keine Anstalten, sich Bryan zu nähern. Erst kurz bevor sie den Raum verlassen wollte, setzte sie sich für einen Moment an Bryans Bett. Ohne wirkliche Anteilnahme tätschelte sie seine Hand und nickte ihm stolz zu. Eigenartigerweise verstand Bryan ihr Deutsch besser als das jedes anderen. Mit wenigen Worten machte sie ihm klar, sie hätte gehört, Hitler sei in der Gegend. Sie redete sich in Rage, sie klang optimistisch und lächelte, wenn sie den Namen des Führers aussprach.
    Dann blinzelte sie ihm zu. Der Held von der Leyen würde bald Besuch bekommen. Wenn nicht vom Führer selbst, so doch von einem seiner nächsten Untergebenen.
    Der ehrfürchtige Blick, mit dem sie ihn beim Verlassen des Raums ansah,

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