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Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Titel: Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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Boden den Fensterrahmen hinter der Gardine erfasste. Der Wächter brummte etwas und öffnete die Tür ein bisschen weiter, und erst als sich seine Augen so sehr an das Dunkel gewöhnt hatten, dass er den Liegenden erkennen konnte, blieb er stehen. Bryans Knöchel schmerzte mittlerweile so stark, dass er sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Vielleicht wäre das der Moment, aufzugeben! Es war doch im Grunde utopisch, dass ihm die Flucht gelingen könnte!
    Da richtete sich der Patient in seinem Bett plötzlich so weit auf, dass er saß. Er wirkte völlig klar. »Gute Nacht«, sagte er dann sanft und so gut artikuliert, dass selbst Bryan es verstand. »Gute Nacht«, entgegnete der Wärter und zog die Tür so leise hinter sich zu, dass es fast menschlich wirkte.
     
    Es war bitterkalt, der Winter hatte Einzug gehalten. Auf dem Platz unter ihm war keine Menschenseele zu sehen. Das Fallrohr machte einen stabilen Eindruck, war aber glatter, als Bryan erwartet hatte.
    Und der Knöchel pochte heiß.
    Darum strengten ihn die wenigen Klimmzüge bis hoch zur Dachgaube auch mehr an als erwartet. Das Fenster war nur eine Handbreit vom Rand des Daches entfernt, aber geschlossen. Bryan drückte vorsichtig gegen die beschlagene Scheibe. Der Fensterkitt war locker, trotzdem ließ sich die Scheibe nicht einfach eindrücken. Dann schlug er fester zu. Er schnitt sich an einer der Glasscherben. Der Fensterhaken saß viel zu weit oben. Da packte Bryan den Rahmen einfach und zog, bis er brach. Die obere Scheibe flog im Ganzen heraus und zerbrach zehn Meter unter ihm auf einem der Mülleimer. In Bryans Ohren klirrte das Glas so laut, als würde der Himmel einstürzen.
    Und dennoch war er offenbar der Einzige, der den Lärm registrierte.
    Glück gehabt, einfach Glück, und trotzdem war er immer noch kein Stück weiter. Die berühmte Ironie des Schicksals hatte ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Denn nun war ihm zwar der Fensterrahmen nicht mehr im Weg, aber seit er sich die Gaube vor zwei Tagen von unten angeschaut hatte, hatte jemand ein massives Möbelstück vor das Fenster gerückt.
    Viel zu massiv.
    Musste er doch wieder hinunterklettern? Verzweifelt ließ er den Blick über das Schieferdach schweifen, das vor Nässe und Glätte glänzte und das schwache Licht der Lampen hinter dem Küchenbereich reflektierte. Dachfenster mit Metallrahmen unterbrachen die schwarze Fläche.
    Im Nordwesten kündete aufblitzendes Licht von späten Explosionen, die gedämpft bis hierher zu hören waren. Die Kampfhandlungen auf der anderen Rheinseite hatten in der letzten Stunde zugenommen.
    Von der Gaube zwei Meter näher am First waren helle Stimmen zu hören. Bryan vermutete, dass er sich direkt vor den Räumen der Krankenschwestern befand. Auch aus dem Zimmer hinter ihm deuteten gedämpfte Geräusche an, dass sich die Spätschicht zur Nachtruhe begab. Er konnte jetzt leicht entdeckt werden. Eine Bewohnerin musste nur ihr Zimmer lüften oder nachsehen, woher das Krachen und der Lichtschein kamen   – und Bryan wäre entdeckt. Obwohl es kalt war, begann Bryan zu schwitzen, sodass die Hände vom Fensterrahmen abzurutschen drohten. Er musste schnell einen anderen Weg ins Gebäude hinein finden. In wenigen Augenblicken würden die Wachposten um die Ecke biegen.
    Er war so leicht zu entdecken.
    Zum zweiten Mal suchte Bryan die Dachfläche ab, eine Schieferplatte nach der anderen, um einen Ausweg zu finden. Als ihm ein vom Dach der Gaube verdeckter Metallrahmen auffiel, schöpfte er wieder Hoffnung. Bis zu dem Fenster würdeer kommen, wenn ihm die Dachkehle der Mansarde ausreichend Halt bot.
    Die ersten Griffe waren die schwersten. Die Fläche war verflucht kalt und ganz glitschig von verwelktem Laub. Da hörte er das Bellen der Hunde, das das Nahen der Wachposten anzeigte.
    Normalerweise kamen sie zu zweit. Aber diesmal waren sich offenbar zwei Trupps begegnet und hatten beschlossen, genau dort, wo Bryan lag, einen Schwatz zu halten.
    Während die Männer die Köpfe zusammensteckten, suchten sie mechanisch in den Brusttaschen nach Zigaretten. Im Lichtkegel der Laterne, unter der sie standen, waren sie gut zu sehen. Die Gewehre hingen ihnen schwer über den Schultern. Die Hunde zerrten an den Leinen, sie wollten weiter. Erst als Bryan den Fuß fest an die Seite der Gaube stemmte, begannen die Tiere Unheil zu wittern. Teile des matschigen Laubs waren über die Dachkante gerutscht und unten auf die Mülleimer geklatscht. Zwei der Hunde fingen an

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