Das Alte Aegypten
geschrieben. Deutzeichen vergrößerten die Möglichkeiten, ein Lautzeichen verschieden zu interpretieren. Sie funktionierten wie Hinweisschilder: Stand hinter dem Lautzeichen ein Kreis mit Straßen, so handelte es sich um einen Städtenamen. War ein Säugetier gemeint, folgte ein Fell mit Schwanz, allen Tätigkeiten, die Kraft erfordern, ein schlagender Arm und der Plural wurde durch drei Striche kenntlich gemacht. Die Anordnung der etwa 700 verschiedenen Hieroglyphen folgte eher ästhetischen als rein funktionellen Erwägungen. Geschrieben wurde ohne Satzzeichen, Zwischenräume und Worttrennungen von rechts nach links, in umgekehrter Richtung, zeilenweise wechselnd oder von oben nach unten. Götter und Herrscher stehen in Wortgruppen zuerst.
Über die Auffindung des Steins von Rosette gibt es zwei Versionen. Nach der ersten stürzte ein Offizier vom Pferd, als dieses über einen Stein stolperte. Nach der zweiten fiel sein Blick auf ihn beim Abbruch eines alten Festungswalls. Seine Bedeutung wurde schnell erkannt, Abbdrucke angefertigt und jedem zur Verfügung gestellt, der sich mit der Entzifferung der Hieroglyphen befasste. Die für die Entschlüsselung entscheidende Stelle, die Kartusche mit dem Namen Ptolemaios’ V., befindet sich im oberen Absatz, in der neunten Reihe von unten, ganz links
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(c) akg, Berlin
Vom Graben im Sand
Archäologie in Ägypten
In den ersten Jahrzehnten des 19. Jh. bereisten viele Forscher das Land am Nil, vermaßen Denkmäler, beschrieben Landschaften und entzifferten Inschriften. Fantastische Berichte über unermessliche Schätze lockten aber vermehrt auch Abenteurer und Glücksritter in das noch immer zum Osmanischen Reich gehörende Land. Einer der schillernsten Figuren war der Italiener Giovanni Belzoni (1778-1823), der sich als Kraftmensch in einem Londoner Varieté sein Geld verdiente. Ihn verschlug es 1815 nach Ägypten, wo ihn der britische Generalkonsul, einer der größten Kunsträuber seiner Zeit, als Agent für pharaonische Kunst beschäftigte. Sein größter Coup war die Entdeckung des Grabes Sethos’ I. im Tal der Könige. Zu dieser Zeit war Ägypten zur Plünderung freigegeben. Auch das auf Betreiben Champollions (siehe S. 202), des Entzifferers der Hieroglyphen, vom ägyptischen Vizekönig 1835 erlassene Gesetz, das alle im Land gefundenen Relikte zu ägyptischem Eigentum erklärte, änderte wenig daran. Selbst der deutsche Sprachwissenschaftler Karl Richard Lepsius (1810-1884), der im Auftrag des preußischen Königs 1842-1845 die bis dahin größte und bestorganisierte Expedition zur Erforschung der ägyptischen Altertümer leitete, kehrte mit einer Ausbeute von 15 000 Antiquitäten nach Berlin zurück. Trotzdem gilt Lepsius wegen der von ihm angewandten Methoden als erster wissenschaftlicher Ausgräber.
Schatzgräber und Wissenschaftler
Schon kurz nach Lepsius wurde der Franzose Auguste Mariette (1821-1881) als Ausgräber tätig, grub u. A. in Memphis und Sakkara und fand dort schließlich das Serapeum (siehe S. 134) Er gründete das Ägyptische Museum in Kairo, die Ägyptische Altertümerverwaltung und entwickelte die Handlung für Verdis Oper „Aida“. Die bei den Grabungen angewandten Methoden waren jedoch noch immer sehr grob, die Fundzusammenhänge wurden nicht registriert, vieles unwiederbringlich zerstört. Dies änderte sich erst 1880, als der Engländer Flinders Petrie (1853-1942) die Bildfläche betrat. „Als er begann, war die ägyptische Archäologie Schatzgräberei, als er aufhörte, Wissenschaft“, so sagte sein Biograf über ihn. Petrie, der in 40 Jahren Grabungstätigkeit alle wichtigen Orte Ägyptens untersuchte, ging systematisch vor, behandelte auch unbedeutende Funde sorgfältig und dokumentierte seine Tätigkeit.
Fluch der Pharaonen
Der überraschende Tod Lord Carnarvons, der die Suche nach dem Grab Tutanchamuns finanziert hatte, am 5. April 1923, nur wenige Tage nach Öffnung der Gruft, riss die internationale Presse zu Spekulationen über einen Fluch des Pharaos hin, mit dem dieser angeblich sein Grab habe schützen wollen. Die Wahrheit ist eher profan: Der Lord war an einer Blutvergiftung gestorben. Inzwischen glaubt man, dass einige der weiteren Todesfälle, die mit dem Fluch in Zusammenhang gebracht werden, auf einen in den Grabkammern konservierten Schimmelpilz zurückgehen könnten
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Kleopatras Palast im Wasser
Von 1898 bis 1932 vergingen im Tal der Könige kaum ein paar Jahre ohne nennenswerte Funde. Der bedeutendste von allen
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