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Das alte Haus am Meer

Das alte Haus am Meer

Titel: Das alte Haus am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wentworth
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Schoß fiel, und dann so ein niederschmetternder Schlag. Ihm, der alles hatte, was er wollte, sollte alles genommen werden.
War es eine plötzliche Versuchung, die ihn Lydia in den Abgrund stoßen ließ? Oder war selbst damals schon unter dem oberflächlichen Scharm ein anderer Dale, kalt und berechnend, der haben musste, was er wollte, koste es, was es wolle?
Alicia weg und Tanfield bedroht. War das der Zeitpunkt, als alles aus dem Ruder zu laufen begann? Oder war es schon immer so gewesen? Wird ein Mensch plötzlich zum Mörder, oder war da schon immer diese kalte, unbarmherzige Ader? Wenn man sich selbst, seine Besitztümer, zu wichtig nimmt, dann spielen vielleicht die Interessen oder das Leben anderer Menschen eine so geringe Rolle, dass man sie ohne Skrupel opfern kann.
Wäre alles anders gekommen, wenn Dale Alicia geheiratet hätte? Nach außen hin vielleicht. Es wäre wohl nicht zu einem Mord gekommen, weil Mord keinen Vorteil gebracht hätte. Warum hatte Alicia ihm den Laufpass gegeben? Sie war von den beiden doch diejenige gewesen, die geliebt hatte. Aber sie hatte Rowland Steyne geheiratet. Warum? Niemand würde es je erfahren. Alicia behielt ihre Geheimnisse für sich. Er fragte sich, ob sie wohl Dales unbarmherzige Ader erkannt hatte und davor zurückgeschreckt war. Niemand würde es erfahren.
Nach einem gut gespielten Liebeskummer hatte Dale bereitwillig und recht vergnügt Lydia Burrows geheiratet. Er hatte sie mit Sicherheit nicht geliebt, aber stets den perfekten Liebhaber gespielt, eine bemerkenswerte Darbietung. Wann kam der Zeitpunkt, als er beschloss, das Stück zu beenden und den Vorhang herabzulassen?
Soweit Rafe es beobachten konnte, kannte Dale keine Reue. Lydias Geld machte ihm das Leben leicht, solange es reichte.
Solange er bekam, was er wollte, konnte niemand liebenswürdiger und großzügiger sein als Dale. Der vorbildliche Großgrundbesitzer, der immer selbst mit anpackte, an die Allgemeinheit und seine Pächter dachte. Ein vorbildlicher Schlossherr, ein Mann mit vielen Freunden. Waren das alles Rollen, die der andere Dale gespielt hatte? Liebte er Alicia? Hatte er Lisle je geliebt? Hatte er überhaupt jemals einen anderen Menschen geliebt? Oder hatte es ihm nur Spaß gemacht, den Liebhaber, den großzügigen Schlossherren, den guten Sportler zu spielen? Die Antwort kam unwillig. Er liebte Tanfield. Nicht Alicia, nicht Lisle, nicht Rafe, keinen Menschen. Nur Tanfield, das in gewisser Weise eine Projektion seiner selbst war. Sein Besitz, der wiederum voll und ganz von ihm Besitz ergriff.
Es kamen weitere Bilder. Die Nacht verging.
Als es dämmerte und ein weißer Dunstschleier das Meer bedeckte, drehte Rafe sich um und ging hinein.
    48

    Spät am Abend klingelte Inspektor March in der Pension von Miss Mellison. Miss Mellison öffnete die Tür persönlich in einer geblümten Kittelschürze und einer leuchtend blauen Perlenkette. Ihr Gesicht war gerötet und die grauen Haare strähnig, was sowohl auf die Julihitze als auch auf das Küchenfeuer zurückzuführen war.
    »Ich hoffe, Sie mussten nicht zu lange warten. Mein Mädchen hat heute frei. Wenn Sie so nett wären … mein kleines Wohnzimmer … was für eine Freude. Miss Silver kommt gleich. Sie kennen ja den Weg.«
    Als sie sich umdrehte und zur Treppe hastete, war unter der Schürze ein ziegelrotes Kleid aus Wollstoff zu erkennen, unter dessen Saum ein grüner, kunstseidener Unterrock hervorblitzte. Kein Wunder, dass sie schwitzte.
    March betrat den kleinen Raum, in dem er sich auch zuvor schon mit Miss Silver getroffen hatte. Die Fenster waren geschlossen, und in der Luft hing der Geruch von Gekochtem und von Möbelpolitur. Er öffnete alles, was sich öffnen ließ, und als er sich umwandte, kam Miss Silver herein, luftig und schlicht gekleidet.
    »Mein lieber Randal, wie freundlich. Mir ist natürlich sehr daran gelegen, Sie zu sprechen. Bitte setzen Sie sich doch. Haben Sie schon gegessen?«
    »O ja.« Sie setzte sich, nahm eine neue Strickarbeit zur Hand, von der erst wenige Reihen in Hellrosa zu erkennen waren, und sagte mit einem bedauernden Seufzer:
    »Es war also doch der Ehemann.« Randal March erschrak so sehr, dass es ihm kaum gelang, es zu verbergen.
»Meine liebe Miss Silver!«
Sie neigte ihren Kopf und nickte leicht.
»Es überrascht Sie, dass ich davon weiß?«
Er lachte trübsinnig.
»Ich rechne immer damit, dass Sie einen Besenstiel
    hervorzaubern und darauf davonreiten.«
Miss Silver spitzte tadelnd die

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