Das Ambulanzschiff
Nominierungen zu verzeichnen haben, wenn es darum geht, den größten SF-Autor aller Zeiten zu ermitteln. Aber solchen Ehrungen dürfte er auch niemals mit besonderer Intensität nachgestrebt haben.
Sein Metier ist die sorgsam ausgedachte Geschichte mit einem liebevoll konstruierten, detailreichen Hintergrund, die dazu häufig ein moralisches, humanistisches Anliegen transportiert. Nicht prätentiös und nicht spektakulär.
Zu seinen besten Romanen gehört The Watch Below (Gefangene des Meeres), 1966 erschienen, wo fünf Menschen in einem gesunkenen Schiff auf dem Meeresgrund überleben. Hundert Jahre später werden die Nachkommen dieser Menschen mit wasseratmenden Aliens konfrontiert, die – ohne kriegerische Absichten – nach Lebensraum in den irdischen Ozeanen suchen. Weitere bekannte Romane von James White sind: Second Ending (Herr der Roboter, 1962, All Judgement Fled (Das Raumschiff der Rätsel), 1968, und The Dream Millenium (Das Jahrtausend der Träume), 1974.
Vor allem jedoch war es die Serie um die Weltraummediziner, die ihn bekannt machte und der auch der vorliegende Episodenroman angehört. James White beschreibt in seinem Vorwort Hintergründe und Entstehungsgeschichte dieser vor allem aus Stories bestehenden Serie um ein riesiges, 384 Ebenen umfassendes Weltraumhospital mit einem medizinischen Stab von 10 000 Personen, die sich aus einer Vielzahl von intelligenten Lebensformen der Galaxis rekrutieren. Einzelheiten sind dort nachzulesen. Man merkt diesen Geschichten um Dr. Conway und seinen zum Teil extraterrestrischen Mitarbeitern – etwa den immer wieder liebevoll ins Spiel gebrachten Dr. Prilicla, einen insektoiden Empathen – an, daß James White eigentlich selbst gern Arzt geworden wäre. Obwohl weitgehend dem gleichen Grundmuster der Handlungsstruktur folgend (ein unbekannter Extraterrestrier gerät in Not, die Weltraumärzte versuchen ihm zu helfen und müssen dabei zunächst einmal Informationen über ihn und seine Rasse sammeln, bevor sie sich seiner Krankheiten oder Verletzungen annehmen können), ist jede dieser Geschichten immer wieder von großer Spannung und Dramatik. Hier kommt zum Tragen, daß White nie schludert, sondern mit Phantasie und Akribie neue Geschichten in Szene setzt. Und der humanistische Grundgedanke, der dahintersteckt, die Vorstellung, daß alle raumfahrenden Rassen eine Ethik entwickelt haben, die dem hohen Stand ihrer Technik entspricht, sowie die menschliche Wärme und Anteilnahme am Geschick dieser Aliens, verhindern, daß daraus eine Kuriositätenschau wird.
Der russische Autor Iwan Jefremow formulierte einmal als Forderung an die Science Fiction, den ethischen Fortschritt als Pendant zum wissenschaftlich-technischen Fortschritt für jede denkbare Lebensform des Universums als gegeben anzusehen. Zur Doktrin erhoben: Wer die Raumfahrt beherrscht, begegnet anderen Rassen nicht mit Mißtrauen und Bereitschaft zur Gewalt, sondern mit Freundschaft und Solidarität. Angesichts mancher Science Fiction sicherlich eine zu unterstützende Forderung, wenngleich als Doktrin für das gesamte Feld in ihrer Verkürzung untauglich. Immerhin: Mit seiner Serie um die Weltraummediziner steht James White gar nicht so weit hinter Jefremows Forderung zurück – ohne dabei auf saftige, abenteuerliche Science Fiction-Unterhaltung zu verzichten.
Hans Joachim Alpers
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