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Das Amerikanische Hospital

Titel: Das Amerikanische Hospital Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kleeberg
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mein Fall.
    Auch wenn Sie mir zehnmal strategisch und historisch
nachweisen können, welche Kriege sinnvoll und nützlich gewesen sind, ich glaube nicht an den Krieg. Ich glaube nicht an den Tod, ich glaube ans Leben. Und mir weismachen zu wollen, dass aus irgendeinem Krieg Leben wächst statt Tod, das wäre ein dialektisches Kunststück. Ich glaube an die Würde jedes einzelnen Lebens. Und deshalb halte ich es mehr mit Leuten wie Gandhi und wie Jesus als mit Laclos oder Churchill.
    Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert, zitierte der Amerikaner. Ich bin gekommen, um den Sohn mit dem Vater und die Tochter mit ihrer Mutter zu entzweien. Irgendwo bei Matthäus. Es sind genau Leute wie Sie, Hélène, für die wir unsere Kriege führen. Damit Leute wie Sie weiter ans Leben glauben können. Oder von Neuem.
    Das sagen nicht Sie, das ist Propaganda, sagte sie. Die USA haben diesen Krieg für die Kontrolle übers Öl geführt, und weil sie ihr Waffenarsenal verbrauchen müssen, um es erneuern zu können, und seine Qualität demonstrieren müssen, um es verkaufen zu können. Natürlich haben Sie einen ganzen Stab von gewitzten Rhetorikern, um das schönzureden.
    Ich will nicht mit Ihnen streiten, Hélène. Sie sind der einzige Mensch -.
    Nein!, rief sie unwillkürlich und hob abwehrend die Hand. Nein. Nein. Ich will das nicht hören, was immer es ist. Ich will nicht der einzige Mensch sein, ganz gleich wofür.
    In Ordnung, sagte der Amerikaner und nickte, als erkenne er eine Niederlage an.
    Hélène blickte ihn an und bereute den ganzen Disput. Ich führe selbst Stellvertreterkriege, dachte sie.

    Aber was tun Sie denn jetzt wirklich hier in Paris?, fragte sie dann.
    Ich nehme an einem Austauschprogramm namens MPEP teil, bei dem man für drei Jahre zu einer ausländischen Armee wechseln kann. Eine Art kultureller Erfahrungsaustausch. Ist ein Privileg, dafür vorgeschlagen zu werden. Und so bin ich jetzt beim 4. Husarenregiment in Fontainebleau.
    Husarenregiment?, meinte Hélène amüsiert.
    Ein abgehalfterter Husar, sagte der Amerikaner bitter. Vor mir als apokalyptischem Reiter brauchen Sie keine Angst mehr zu haben. Ich bin ein Wrack, ein Dreck. Ich kann nicht einmal bei meiner französischen Einheit dienen.
    Er sah sie an wie ein in die Ecke gedrängter Boxer.
    Aber was -?, Hélène, völlig verblüfft angesichts der Wendung der Dinge, wollte ihn fragen, da schlug ein Luftzug die Tür zu, die hinaus in den Garten ging. Es knallte und klirrte zugleich. Hélène zuckte zusammen und fuhr herum. Als sie sich zurückdrehte, sah sie den Amerikaner zunächst nicht. Dann entdeckte sie ihn unterm Tisch. Das sah komisch aus, und sie sagte unwillkürlich: Der Husar unter dem Tisch? Duck and cover? Aber dann hörte sie, dass er mit den Zähnen knirschte, und das war ein derart fürchterliches Geräusch, dass sie begriff: Etwas konnte ganz und gar nicht in Ordnung sein mit ihm.
    Dann hockten sie mehrere Minuten lang gemeinsam unter dem Tisch, bis das Zähneknirschen und Augenrollen nachließ. Sie hockten unter dem Tisch und hielten einander die Hände.
    Sie sahen aus wie Kinder, die etwas aushecken, Kinder, die spielen, sie seien in einer Höhle, unerreichbar für die
Erwachsenen und ihre Welt. Von den übrigen Gästen der Cafeteria näherte sich ihnen keiner mit einer Frage - dies war schließlich ein Krankenhaus, in dem merkwürdiges oder krankhaftes Verhalten an der rechten Stelle war -, wohin hätte man sie verweisen sollen, wo sie sich nicht ohnehin schon befanden?
    Es geht nicht … Es kann nicht sein. Was ist bloß? Warum hört es nicht auf? Es wird bloß immer schlimmer … Entschuldigen Sie, es ist so erniedrigend, so abgrundtief erniedrigend. Ich wollte, mir wären stattdessen die Beine weggeschossen worden …
    Als sie wieder am Tisch saßen, sah der Amerikaner aus, als sei er bekleidet in der Sauna gewesen. Da sehen Sie’s, sagte er verzweifelt. Da haben Sie’s, und er wischte sich angewidert mit dem Handrücken über die Stirn.
    Was, um Himmels willen, fehlt Ihnen?, fragte Hélène mit Autorität.
    Wenn ich es selbst genau wüsste. Es ist kein Kummer, keine Traurigkeit, kein Gram. Es ist einfach gar nichts. Nur Antriebsschwäche. Wenn ich morgens Durst habe, und ein Glas Wasser steht vor mir, dann brauche ich eine halbe Stunde, um mich dazu durchzuringen, es in die Hand zu nehmen und zum Mund zu führen … Ich bin jetzt wie lange hier? Wann haben wir uns das erste Mal getroffen? Im Oktober

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