Das Amerikanische Hospital
aufhelfen: Sie haben vor nicht langer Zeit noch einen geführt. Mit der Nato und mit uns.
Sie meinen den Kuwait-Krieg? Desert Storm? Mit diesem Schwarzkopf? Diese total undurchsichtige, total abgeschottete, total verlogene Intervention fürs kuwaitische Öl?
Und für die Freiheit Kuwaits und seine Selbstbestimmung, jawohl. Sie meinen, das war ein unnützer Krieg?
Ich meine, man hätte auch verhandeln können. Vor Kurzem war Saddam doch, wenn ich mich recht entsinne, noch Ihr guter Freund.
Aber letztes Jahr hat er eine rote Linie überschritten.
Die wer gezogen hat? Die USA? Wie immer?
Die USA kämpfen für die Freiheit. Zumindest versuchen sie es.
Sie lachte und sagte, damit es nicht klang, als wolle sie ihn auslachen: Da erlauben Sie mir aber doch zu lachen. Wer gibt Ihrem Land eigentlich immer den Befehl, alle möglichen Leute zu befreien, die vielleicht gar nicht befreit werden wollen, indem man sie in Schutt und Asche legt?
Sie meinen, so wie Frankreich 1944? Unsere Vergangenheit gibt uns den Befehl, unsere Verfassung, unser Selbstverständnis. Es ist unsere Mission.
Ihre Vergangenheit? Die Indianerkriege?
Kommen Sie mal nach Concord auf die Old North Bridge. Da könnte ich es Ihnen verständlich machen, unser Freiheitspathos. Hier standen einst die Farmer aufgereiht und feuerten den Schuss, der rund um die Welt gehört wurde.
Entschuldigen Sie, aber wenn Sie einem von uns Europäern vom Freiheitspathos der USA erzählen, fällt uns immer nur Vietnam ein.
Ich sage nicht, dass die USA keine Fehler machen. Sie machen oft Fehler, zugegeben. Aber wer überhaupt etwas tut, wird immer Fehler machen.
Ah, la liberté, elle a bon dos, sagte Hélène. Die Freiheit hat einen breiten Rücken.
Für die, die für sie gekämpft haben, entgegnete der Amerikaner steif, hat die Freiheit einen Geschmack, den die Beschützten nie kennen werden.
Haben Sie etwa auch für die »Freiheit« gekämpft in Kuwait? Sie wünschte sich eine Antwort, in der sie den Mann wiedererkennen konnte, der die Schule geschwänzt hatte, um Elizabeth Bishop zu hören, und wusste doch zugleich, dass sie Dinge von ihm erwartete, die er nicht geben konnte. Was sollte er ihr sagen? Mein Leben ist ein Irrtum?
Bis Kuwait sind wir gar nicht gekommen, letztes Jahr. Ich war im Südirak.
Man hätte dieses Problem auch ohne Krieg lösen können, sagte Hélène, bewusst zurückrudernd und die Frage vermeidend, die sich aufzudrängen schien. Wenn man denn hätte verhandeln wollen. Aber das wollten die USA ja nicht. Geben Sie das wenigstens zu. Ich frage mich wirklich, was dieses Land sich anmaßt.
Ich will Ihnen etwas sagen, Hélène, meine Meinung dazu. Wenn ein Staat die Mittel hat, die Kenntnisse und die Macht, dann hat er auch die moralische Verpflichtung einzuschreiten, selbst wenn das heißt, Krieg in andere Länder tragen zu müssen, um den Frieden möglich zu machen.
Davon abgesehen, sagte Hélène bissig, dass ich zumindest das mit den Kenntnissen bezweifeln möchte,
ist das eine vollkommen reaktionäre, imperialistische Maxime.
Eine angreifbare, aber damit müssen wir leben.
The white man’s burden, hm?, spottete Hélène.
Ich kenne diesen Spott. Sagen wir, dass das Exempel, das mir dabei in den Sinn kommt, München heißt. Peace in our time. Jubel, Dankbarkeit, Erleichterung. Friede für genau zwölf Monate. Nur nicht für die Tschechen oder eben die Kuwaitis. Die Dankbarkeit und die Erleichterung der Kurzsichtigen.
Und was haben Sie, der Sie nicht zu uns Kurzsichtigen gehören, im Irak getan? Den Arabern Gedichte von Elizabeth Bishop oder Ralph Waldo Emerson vorgelesen?
Zum ersten Mal antwortete der Amerikaner nicht mehr. Es entstand eine Stille, in der sie die Fliegen summen hörten und auf ihren kalt gewordenen Kaffee blickten.
Und was machen Sie dann jetzt hier in Frankreich?, fragte Hélène als Friedensangebot. Aber der Amerikaner ging erstaunlicherweise nicht darauf ein.
Sie wollen wissen, ob ich getötet habe? Ob ich viele Araber abgeknallt habe? Ob ich sie mit den Panzerketten zu Mus gequetscht habe? Die Siebzehnjährigen. Sie wollen wissen, ob Sie einem Mörder gegenübersitzen. Und dann entscheiden, ob das erregend oder degoutant ist.
Hélène erschrak vor dem Ernst in seiner Stimme.
Weder das eine noch das andere. Es wäre eher beängstigend und verstörend. Aber ich will mir nicht anmaßen, Ihr Leben zu beurteilen. Es gibt ja auch Menschen, die zur Armee gehen, um ein Dach über dem Kopf zu haben.
Das ist nicht
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