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Das Amt und die Vergangenheit - Conze, E: Amt und die Vergangenheit

Titel: Das Amt und die Vergangenheit - Conze, E: Amt und die Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moshe Peter;Zimmermann Norbert;Hayes Eckart;Frei Conze
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Holocaust, an deren Ende der Entschluss zum Widerstand hätte stehen können, hat es auf der Leitungsebene des Auswärtigen Amtes so wenig gegeben wie in anderen deutschen Behörden. Debatten und Dissens gab es mit Blick auf außenpolitische Zielsetzungen und Vorgehensweisen, auf die Besatzungspolitik und die Rolle des Amtes dabei, nicht jedoch mit Blick auf die Verbrechen des Regimes. Individuell abweichendes und oppositionelles Verhalten war dennoch möglich und konnte auch aus der verbrecherischen Politik des Dritten Reiches resultieren. Um nur ein Beispiel zu nennen: Gerhart Feine, Gesandtschaftsrat an der deutschen Gesandtschaft in Budapest, half 1944 mit, zahlreiche ungarische Juden vor dem Abtransport in die deutschen Vernichtungslager zu bewahren.
    Gewiss, es gab Widerstand aus dem Auswärtigen Amt heraus und Widerstand von Diplomaten. Doch dieser Widerstand blieb individuell und die Ausnahme. Ulrich von Hassell, der den diplomatischen Dienst schon 1938 quittiert hatte, Adam von Trott zu Solz, der als Quereinsteiger und Wissenschaftlicher Hilfsarbeiter in den Kriegsjahren ins Auswärtige Amt gekommen war, oder Hans Bernd von Haeften, Vertrauensmann von Claus Graf Stauffenberg im Auswärtigen Amt, waren Außenseiter, nicht
die führenden Köpfe einer breiten Oppositionsbewegung in der Wilhelmstraße. Albrecht Graf Bernstorff, den die SS im April 1945 ermordete, hatte den Auswärtigen Dienst als einer von ganz wenigen schon 1933 verlassen. Dass Hassell, Trott, Haeften und Bernstorff und wenige andere nach 1945 für die Traditionsbildung des Auswärtigen Dienstes der Bundesrepublik in Anspruch genommen wurden, ist legitim und nachvollziehbar. Viele Diplomaten, mit denen eine solch positive Identifikation möglich war, gab es indes nicht.
    Überdies waren es im Zweifelsfall die Nationalkonservativen aus der Wilhelmstraße, die in den traditionsbildenden Kreisen des Auswärtigen Dienstes der jungen Bundesrepublik den Ton angaben. Fritz Kolbe galt ihnen als Landesverräter, der 1942 hingerichtete Rudolf von Scheliha wurde mit dem kommunistischen Widerstand in Verbindung gebracht. Was blieb, war der Kreis um den ehemaligen Staatssekretär Ernst von Weizsäcker, der sich 1939 zwar bemüht hatte, den Krieg zu verhindern, der aber bis 1945 mit der deutschen Gewaltpolitik eng verbunden war. Weizsäcker konnte für all jene stehen, die den Dienst nicht quittiert und bis zum Ende des Krieges auf ihren Posten ausgeharrt hatten, vorgeblich in dem Bemühen, von innen, aus dem Amt heraus, Sand ins Getriebe der nationalsozialistischen Kriegs- und Mordpolitik streuen zu können.
    Auch darum richteten sich nach 1945 die konzertierten Bemühungen vieler Ehemaliger darauf, einen Freispruch Weizsäckers zu erreichen, der 1948/49 im Nürnberger Wilhelmstraßenprozess auf der Anklagebank saß. Konnte man den ehemaligen Staatssekretär entlasten, der 1942 mit seiner Paraphe die Deportation französischer Juden in den Osten abgezeichnet hatte, dann war man selbst entlastet und durfte auf eine Verwendung im Auswärtigen Dienst des 1949 gegründeten westdeutschen Staates hoffen. Doch die Anstrengungen hatten nicht den gewünschten Erfolg. Weizsäcker wurde 1949 als Kriegsverbrecher zu sieben Jahren Haft verurteilt. Selbst ein Militärtribunal, das der Anklage überaus skeptisch gegenüberstand, zweifelte nicht an seiner Mitschuld an Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
    Das Nürnberger Verfahren wird am Beginn des zweiten Teils des Buches ausführlich analysiert. Dahinter steht die Erkenntnis, dass der Wilhelmstraßenprozess für die Entstehung und frühe Entwicklung des Selbstbildes des AA und die Deutung seiner NS-Vergangenheit von konstitutiver
Bedeutung gewesen ist. In Nürnberg - und das gilt auch für andere Kriegsverbrecherprozesse - waren hochrangige Vertreter des NS-Regimes oftmals über Monate auf engstem Raum zusammen, standen Angeklagte in intensiver Kommunikation mit Zeugen und Verteidigern. Das waren geradezu ideale Bedingungen für die Konstruktion und die Abstimmung von Geschichtsdeutungen und Schuldzuschreibungen. Was wir in den Selbstdarstellungen des Auswärtigen Amtes bis in die siebziger, achtziger Jahre über seine Geschichte nach 1933 lesen können und was seine Traditionsbildung über Jahrzehnte bestimmte, mag zwar schon im Kontext der Entnazifizierung zur individuellen Rechtfertigung artikuliert worden sein. Doch in Nürnberg hat es sich zum Topos verdichtet - um fortan auf das Amt im Ganzen und auf so gut wie

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