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Das Amt und die Vergangenheit - Conze, E: Amt und die Vergangenheit

Titel: Das Amt und die Vergangenheit - Conze, E: Amt und die Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moshe Peter;Zimmermann Norbert;Hayes Eckart;Frei Conze
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1948/49 gelangte der amerikanische Militärgerichtshof im so genannten Wilhelmstraßenprozess, bei dem AA-Staatssekretär Ernst von Weizsäcker und andere hohe Diplomaten auf der Anklagebank saßen, zu dem Urteil, das Amt sei an den Verbrechen des Nationalsozialismus und insbesondere an der Ermordung der europäischen Juden beteiligt gewesen.
    Das AA selbst war in den Nachkriegsjahrzehnten wieder und wieder mit seiner Geschichte in der Zeit zwischen 1933 und 1945 konfrontiert und stand vor allem wegen der hohen personellen Kontinuität in der Kritik. Immer wieder boten sich in dieser Zeit Anlässe, die eigene Geschichte aufzuarbeiten oder für eine unabhängige Aufarbeitung zu sorgen, doch das Amt fand dazu nicht die Kraft. Im Geleitwort zu einer Festschrift zum 100-jährigen Bestehen des Auswärtigen Amts im Jahr 1970 kündigte der damalige Bundesaußenminister Walter Scheel eine solche umfassende Darstellung zwar an, geschrieben indes wurde sie nicht.
    Dennoch kam seit den siebziger Jahren die historische Erforschung der NS-Vergangenheit des Amtes und damit auch seiner Beteiligung am Holocaust langsam in Gang. Den Anfang bildete dabei die Untersuchung des amerikanischen Historikers Christopher Browning über das »Judenreferat« des Auswärtigen Amtes in den Jahren des Zweiten Weltkriegs. Deutsche Historiker folgten ihm, allen voran Hans-Jürgen Döscher, der 1987 seine viel beachtete Studie über die »Diplomatie im Schatten der Endlösung« vorlegte und in den folgenden Jahren der Thematik weitere Untersuchungen widmete. Über Döscher und Browning hinaus, dessen Buch von 1978 mit 32-jähriger Verspätung soeben in deutscher Übersetzung erschienen ist, sind in den letzten Jahren verschiedene Arbeiten zu Einzelaspekten der Geschichte des Auswärtigen Amts im Dritten Reich, zu einzelnen Protagonisten, zur Beteiligung deutscher Diplomaten an Besatzungsherrschaft und Holocaust, aber auch zur Gründungs- und Frühgeschichte des Auswärtigen Amts der Bundesrepublik erschienen; nicht nur deutsche Historiker, sondern die internationale Forschung hat sich dieser Themen zunehmend angenommen. Nach wie vor fehlt jedoch eine aus den Quellen und der verstreuten Forschungsliteratur gearbeitete systematische und integrierende Gesamtdarstellung.

    Das vorliegende Buch versucht, dieses Defizit zu beheben. Der Auftrag, den Bundesaußenminister Joschka Fischer im Jahr 2005 der von ihm berufenen Unabhängigen Historikerkommission erteilte, schuf dafür die Möglichkeit und den Rahmen. Die Kommission, so heißt es in dem im Sommer 2006 unterzeichneten Vertrag, sollte die »Geschichte des Auswärtigen Dienstes in der Zeit des Nationalsozialismus, den Umgang mit dieser Vergangenheit nach der Wiedergründung des Auswärtigen Amtes 1951 und die Frage personeller Kontinuität beziehungsweise Diskontinuität nach 1945« aufarbeiten. Dieser Auftrag bestimmt auch die Gliederung des Buches, das entsprechend aus zwei Teilen besteht.
    In einer Broschüre über »Auswärtige Politik heute«, die das Amt 1979 herausgab - ein Jahr nach Erscheinen der unmissverständlichen Studie von Browning -, wird die Geschichte des Ministeriums zwischen 1933 und 1945 in wenigen Sätzen zusammengefasst: »Das AA leistete den Plänen der NS-Machthaber zähen, hinhaltenden Widerstand, ohne jedoch das Schlimmste verhüten zu können. Das Amt blieb lange eine ›unpolitische‹ Behörde und galt den Nationalsozialisten als eine Stätte der Opposition. In der Eingangshalle des neuen Amtes in Bonn befindet sich eine Gedenktafel, die an diejenigen Mitarbeiter des AA erinnert, die im Kampf gegen das Hitler-Regime ihr Leben gaben.« Das war bestenfalls die halbe damals bekannte Wahrheit. Denn die Geschichte des Auswärtigen Dienstes in der Zeit des Nationalsozialismus bestand nicht vorwiegend aus Widerstand und Opposition. Das über Jahrzehnte gepflegte Selbst- und Geschichtsbild des Auswärtigen Dienstes der Bundesrepublik ist ein Mythos.
    Auch die gerne zitierte These von der Verdrängung und Marginalisierung der traditionellen diplomatischen Elite durch nationalsozialistische Karrieristen und SS-Angehörige greift viel zu kurz. Diese Deutung, die sogar in der wissenschaftlichen Literatur ihre Spuren hinterlassen hat, wurde schon unmittelbar nach Kriegsende im Kreise ehemaliger deutscher Diplomaten entwickelt. Sie war ein Ablenkungsmanöver und ein wichtiges Mittel, Angehörigen der alten Wilhelmstraßen-Diplomatie den Weg in einen wieder entstehenden Auswärtigen

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