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Das Amulett der Pilgerin - Roman

Titel: Das Amulett der Pilgerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Bastian
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es jetzt so aussah, als wenn er schon vorzeitig seinen Vater vom Thron stoßen wollte.
    »Er ist jung, und Jugend fällt unbedachte Entscheidungen«, meinte Sir William, als Julian ihm die steinerne Treppe hinab in das Verlies folgte.
    »Bereit?«
    Julian holte tief Luft und nickte. Sir William stemmte sich gegen die schwere, eisenbeschlagene Holztür, und sofort schlug ihnen der typisch ekelhafte Geruch eines Folterkellers entgegen. Es war ein Gemisch aus Blut, menschlichem Urin und Angstschweiß. Angstschweiß roch nicht wie normaler Schweiß, fand Julian, er stank intensiv und ekelhaft wie eine Warnung, dass hier furchtbare Dinge geschahen. Selbst in diesen recht sauberen Gewölben klebte er an den Wänden und hing in der Luft. Auf dem Fußboden aus gestampfter Erde waren zahlreiche dunkle Flecken zu sehen. Der Keller war ein langgestrecktes Gewölbe, an dessen einer Wand sich ein großer Kamin befand. Er diente weniger zur Erwärmung des Raumes, sondern zum Erhitzen von Brandeisen, mit denen Gefangene gefügig gemacht werden sollten. Ordentlich aufgereiht fanden sich hier die üblichen Utensilien und Gerätschaften eines Folterkellers: Vorrichtungen zum Knochenbrechen, Zangen, um Zähne oder Nägel herauszureißen, eine Wassertränke, eine Streckbank und was sich Menschen sonst noch so ausgedacht hatten, um einander zu quälen. Aus einem Gang auf der linken Seite trat Rob, der Folterknecht. Dort ging es offenbar zu den Zellen. Als er Sir William sah, drehte er sich wieder um und verschwand erneut. Julian hörte, wie quietschend eine Tür aufging, und dann hörte er Schritte. Rob erschien, Viviana vor sich herstoßend. Sie sah arg mitgenommen aus. Ihre schwarzen Zöpfe waren zerzaust, und ihr Kleid war an einigen Stellen zerrissen. Sie hatte dunkle Flecken und Abschürfungen an ihren nackten Armen, und ihre Lippe war aufgeplatzt. Ihre Augen waren gerötet. Sie sah verängstigt aus.
    Julian blickte auf Rob, er schüttelte den Kopf. Sie war stur bei ihrer Geschichte geblieben. Julian biss die Zähne zusammen. Der Schmerz, den er fühlte, Viviana in diesem Zustand zu sehen, machte ihn wütend. Sie hatte ihn verhext, oder wie konnte es sonst sein, dass es ihm das Herz zerriss, sie so leiden zu sehen. Rob stieß Viviana zu dem Stuhl, der in der Mitte des Raumes stand, und seine Grobheit ärgerte Julian. Dann ärgerte er sich über sich selbst und räusperte sich.
    Viviana sagte nichts, sie starrte ihn nur mit ihren riesigen, tränennassen Augen an. Fassungslos, verwirrt, voller Angst.
    »Sie arbeiten für die Feinde des Königs.«
    Viviana schüttelte den Kopf.
    »Wer sind Sie?«
    Tränen rollten über ihre Wangen. Sie war eine ausgezeichnete Schauspielerin, dachte Julian erbittert.
    »Was wollen Sie hier?«
    »Julian, bitte, ich weiß es doch nicht.« Ihr Flehen quälte ihn und schürte seinen Zorn.
    Mit zwei langen Schritten war er bei ihr. Noch ehe er recht wusste, was er tat, holte er aus und schlug ihr ins Gesicht. Sie senkte den Kopf, und er sah Tränen und einige Blutstropfen in ihren Schoß fallen. Sein Blick richtete sich auf seine Hand, die von dem Schlag brannte, und auf Vivianas gesenkten Kopf und ihre zitternden Schultern. Ihm war übel. Er trat zurück. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Rob das Feuer schürte und eine Anzahl Haken in die neu entfachte Glut legte. Bald würden sie heiß sein. Er konnte ihr doch nicht ein glühend heißes Eisen in die Haut brennen, durchzuckte es ihn. Doch jedes Zögern seinerseits musste sie für Schwäche halten, und es würde sie nur darin bestärken, ihn weiter zu belügen. Sie glaubte, sie hatte ihn im Griff. Sie hielt ihn für einen Narren.
    »Sie können doch nicht ernsthaft glauben, dass ich Ihnen diese Maskerade weiter abnehme?«
    Viviana hielt den Kopf zwischen schützend hochgezogenen, schmalen Schultern gesenkt. Sie erinnerte ihn an ein geprügeltes Kind.
    »Also?«
    Sie rührte sich nicht, ängstlich den nächsten Schlag erwartend.
    »Die Haken sind heiß, Sir«, hörte er Rob sagen. Julian fühlte sich wie in einem furchtbaren Alptraum. Er streckte die Hand aus, und Rob gab ihm einen der langen eisernen Haken. Der Griff war aus Holz, das an den Enden, an denen es auf das Eisen traf, schwarz verkohlt war.
    »Also? Wer sind Sie?«
    Sie zitterte und schien förmlich vor ihm zu schrumpfen. Julian kam mit dem rotglühenden Eisen näher und hielt es ihr vor das gesenkte Gesicht. Die Haare, die aus dem gelösten Zopf heraushingen und mit dem Eisen in Berührung kamen,

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