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Das Amulett der Pilgerin - Roman

Titel: Das Amulett der Pilgerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Bastian
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erwiderte seinen Blick, sagte aber nichts.
    »Was befindet sich in der Kirche? Du wolltest gar nicht nach Rinaldo fragen, du wolltest etwas anderes.« Er sah sie aus halb zusammengekniffenen Augen an. »Du wolltest die Liste holen.«
    »Wäre das nicht sehr riskant gewesen? Immerhin hättest du mitkommen können.«
    »Ich bin auch die letzten Male nicht mitgekommen. Du hast häufig genug gefragt, da habe ich schließlich die Lust verloren.« Er dachte nach. »Wenn ich doch hätte mitkommen wollen, hättest du immer noch nach Rinaldo fragen können.«
    Viviana lächelte.
    »Oder die Männer haben auf Rinaldo gewartet. Immerhin kommt er von Westen, und für diese Pilger ist St. Stephen die richtige Kirche. Es wäre also sehr wahrscheinlich, dass er dort Station machen würde.«
    »Wo ist die Liste, Viviana?«
    »Viel interessanter ist doch die Frage, wer sind diese Männer gewesen?«
    »Ich fand die Frage nach der Liste schon recht interessant.«
    Der Wirt kam und brachte ihnen Wein und eine große Schüssel mit Kohleintopf. Unter dem Arm hatte er außerdem einen Laib frisch gebackenes Brot, den er ebenfalls auf dem sauber gescheuerten Holztisch ablegte. Als er wieder weg war, blickte sich Viviana um.
    »Das hier ist das absolut sauberste Gasthaus, das mir je untergekommen ist.«
    Julian nickte und riss sich ein großes Stück Brot ab.
    »Bert ist ungemein reinlich. Er badet jeden Tag und wechselt die Wäsche.«
    »Er muss viele Kleider haben.«
    »Wo ist die Liste, Viviana?«
    Anstatt zu antworten, schob sie sich einen großen Löffel voll mit Kohleintopf in den Mund. Julian wartete, und Viviana gab schließlich nach.
    »Die Liste ist in Saint Stephens.«
    »Du wolltest mich hintergehen!« Ärger stieg in Julian hoch wie in einem Vulkan. »Du wolltest die Liste holen und dich dann davonmachen.«
    »Ohne Pferd?«
    »Warum hast du nichts gesagt?«
    »Warum hätte ich das tun sollen?«
    Julian presste ungehalten die Lippen zusammen, um nicht zu sagen, was er eigentlich im Sinn hatte.
    »Was ich nicht verstehe, ist, wer diese Männer waren und was sie da wollten?«, rätselte Viviana, Julians Zorn ignorierend.
    »Vermutlich wollten sie die Liste.« Sein Tonfall war sarkastisch, aber sie schüttelte den Kopf.
    »Woher wussten sie, wo sich die Liste befindet? Das sollte eigentlich nur ich wissen.«
    »Offensichtlich gibt es noch jemanden auf deiner Seite, der es mit der Loyalität nicht so genau nimmt.«
    »Ich wünschte, du würdest aufhören, den Moralapostel zu spielen, Julian. Erst drohst du mir, mich aufzuknüpfen, und wenn ich einwillige, die Seite zu wechseln, wirfst du mir Untreue vor. Das ist reichlich doppelzüngig.«
    »Ich hätte dir keinen Seitenwechsel angeboten. Wer einmal die Seite wechselt, wird das wieder tun.«
    Ihre Augen blitzten.
    »Ich weiß, du hättest mich lieber gleich aufgeknüpft.«
    »Nicht ohne Gerichtsverfahren.«
    Sie stutzte und lachte dann plötzlich.
    »Das stimmt, Ordnung muss sein.«
    »Wir müssen uns überlegen, wie wir an die Liste herankommen. Wo genau befindet sie sich?«
    »Das werde ich dir nicht sagen.«
    »Warum nicht?«
    »Weil ich dann wertlos für dich bin.«
    Er wirkte einen Moment überrascht, sagte dann aber: »Das stimmt nicht ganz. Immerhin sollst du dich ja in der westlichen Poststation für eine Übergabe treffen. Ich brauche dich also noch.«
    Viviana stocherte mit dem Löffel in dem Kohleintopf herum.
    »Du siehst, du bist also noch nicht wertlos für mich, Viviana«, fuhr Julian fort. »Vielleicht sollten wir jemand anderen die Liste holen lassen.«
    »Das geht nicht.«
    Julian nahm ihr den Löffel weg. Sie blickte auf.
    »Das geht nicht, weil meine Instruktionen sehr kompliziert sind. Ich muss vor Ort sein, damit alles einen Sinn ergibt.«
    »Und jemand anderer könnte das nicht.«
    »Nein.«
    Julian fluchte leise.
    »Wer auch immer die Männer sind, die uns heute in der Kirche erwarteten, sie werden sicher das Gebäude beobachten.«
    »Aber nicht mit voller Stärke.«
    »Es wären noch weniger, wenn ich den einen heute tatsächlich wie ein Schwein abgestochen hätte.«
    Julian blickte sie finster an.
    »Ich meine ja nur.«
    »Es bleibt uns keine Zeit, wir müssen es heute Nacht versuchen.«
    Sie hatten die Pferde in einer Seitengasse zurückgelassen und schlichen leise durch die Dunkelheit. Die nächtliche Stille war alles andere als still. Zwei Katzen stritten sich lautstark in einem Hof, und etwas entfernt die Straße hinunter hing bei einem Ehepaar

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