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Das Amulett der Pilgerin - Roman

Titel: Das Amulett der Pilgerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Bastian
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zu begutachten.
    »Dies ist wirklich nicht die Zeit für Einkäufe, Viviana!«
    »Meine Güte, bist du missgelaunt.« Sie legte den Beutel wieder zurück und griff nach einem geflochtenen Ledergürtel, um ihn zu inspizieren. Julian nahm ihn ihr aus der Hand und schob sie weiter.
    »Wir haben etwas Dringendes zu erledigen, schon vergessen? Man könnte meinen, dass du auf einer Erholungsreise bist.«
    Sie hakte sich bei ihm ein und lächelte unschuldig.
    »Wir werden verfolgt«, hauchte sie, ohne die Lippen zu bewegen.
    »Ich weiß.«
    Sie machte ein ungehaltenes Gesicht.
    »Warum hast du nichts gesagt?«
    »Warum sollte ich?«, fragte er in dem gleichen provozierenden Ton, den sie gerne benutzte. Sie blickte ihn einen Moment erbost an, musste dann aber die Lippen zusammenpressen, um ihr Grinsen zu verbergen. Julian bog in eine Seitengasse ab. Die Häuser standen so eng, dass die ebenerdigen Räume kaum vom Sonnenlicht erreicht wurden. Hier war es sogar am helllichten Tag düster und stickig. Als sie an eine Kreuzung kamen, schob Julian Viviana unauffällig nach rechts, während er nach links abbog. Sie huschte schnell in eine der Toreinfahrten und wartete. Die Gestalt, die ihnen gefolgt war, kam nicht an ihr vorbei. Sie musste also Julian nachgegangen sein. Viviana lugte vorsichtig in die Gasse, aber weder der Verfolger noch Julian waren zu sehen. Sie eilte zurück zur Kreuzung und überquerte sie. Aufmerksam nach links und rechts spähend, ging sie langsam weiter. Auf der Straße vor ihr entstand ein Tumult, der sich rasch in ihre Richtung bewegte. Ein Hund hatte einen Laib Brot gestohlen und rannte mit seiner Beute, so schnell er konnte, die Straße entlang. Er wurde verfolgt von einer Rotte anderer Streuner, einer Gruppe barfüßiger Straßenkinder, dem Besitzer des Brots sowie dessen Frau, die mit schriller Stimme ihr Mittagessen zurückforderte. Vivianas Aufmerksamkeit war durch das Spektakel einen Moment abgelenkt, und in genau diesem Augenblick wurde sie von hinten umklammert und in eine der engen Hofeinfahrten gezerrt. Sie biss kräftig in die Hand und hörte ein unterdrücktes Fluchen. Der andere Arm war fest um ihre Mitte und ihre Arme geschlungen und hob sie hoch, sodass sie den Boden unter den Füßen verlor. Augenblicklich trat sie mit den Hacken nach hinten und erwischte schließlich ein Schienbein, was einen erneuten Fluch hervorrief. Der Angreifer schleuderte Viviana hart auf den Boden und stürzte sich dann auf sie, noch ehe sie Zeit hatte, eines ihrer Messer zu ziehen. Sie änderte die Taktik und hörte auf, sich zu wehren. Als der Mann daraufhin von ihr abließ, presste sie sich mit einem unterdrückten Schluchzen an den Pfosten des Fachwerkhauses. Der Mann stand auf und bedeutete ihr, das Gleiche zu tun.
    »Aber keine Tricks!«
    Sie erhob sich und zog unbemerkt eines ihrer Messer. Das Ziehen und Ausholen zum Wurf waren eine einzige Bewegung. Als Viviana das Messer auf ihren Angreifer schleuderte, sah sie, wie Julian durch die Toreinfahrt auf den Verfolger zurannte. Sie schrie eine Warnung, aber das Messer hatte sich schon in Julians Arm gebohrt, und die beiden Männer fielen zu Boden. Viviana holte gerade erneut mit einem zweiten Messer aus, als Julian sich aufrappelte.
    »Halt, Viviana!« Er drehte sich zu dem Mann um.
    »Zum Teufel mit dir, Emmitt«, fluchte er, biss die Zähne zusammen und zog sich das Messer aus dem Arm. Viviana ging zu Julian hinüber, löste, ohne sich weiter mit dem Angreifer aufzuhalten, das Tuch von ihrem Kopf und riss es in Streifen.
    »Es tut mir leid, Julian«, sagte sie, als sie die Wunde verband.
    Emmitt stand auf, war aber sichtlich außer Fassung. Ein paar der Anwohner waren herbeigelaufen, um zu sehen, was vor sich ging.
    »Es ist alles in Ordnung, es war ein Missverständnis«, sagte Julian mit lauter Stimme in einem Tonfall deutlicher Autorität, der keinen Widerspruch hervorrief.
    »Was ist denn in dich gefahren, Emmitt?«
    Der junge Mann sah schuldbewusst und verwirrt aus. Viviana verknotete den Verband und wischte mit dem Rest des Kopftuchs ihr Messer ab, ehe sie es wieder einsteckte.
    »Kommt, gehen wir woanders hin«, sagte Julian mit Blick auf die gaffenden Anwohner. »Ist da noch jemand draußen?«
    Emmitt schüttelte den Kopf.
    »Sir, ich verstehe nicht …«, begann er.
    »Ich verstehe auch nicht, was das sollte!«, schnitt ihm Julian ungehalten das Wort ab.
    Sie gingen gemeinsam zurück auf die Hauptstraße und in das erstbeste Gasthaus. Als der Wirt

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