Das Amulett der Pilgerin - Roman
aus.
»Kein Wunder, dass sie sich über dich beschwert hat!«
»Ich hätte mich über sie beschweren sollen. Immerhin war sie es, die nachts nackt in meiner Schlafkammer stand.«
»Oho!«
»Mein Gedanke war eher: Oh, nein.«
»Warum, sie war doch schon nackt?«
Julian blickte Viviana indigniert an.
»Sie ist die Mätresse des Königs.«
»Na und, sie wäre sicher nicht damit hausieren gegangen.«
»Außerdem wollte ich sie einfach nicht.«
»Und sie hat nicht versucht, dich zu überzeugen?«
»Doch, hat sie.«
»Aber?«
»Aber sie hat mich eben nicht überzeugt.«
Viviana schüttelte ungläubig den Kopf.
»So eine Dilettantin!«
»Du könntest also jeden Mann verführen?«
Sie legte den Kopf schief und wog ihre Antwort ab.
»Jeden, der nicht lieber Knaben in seinem Bett hätte.«
Julian fand den Ausdruck in ihren Augen beunruhigend. Sie rückte näher an ihn heran.
»Soll ich dir zeigen, wie ich es anstelle?«
»Das ist keine gute Idee, Viviana.«
Sie wurde nicht schlau aus ihm. Sie war sich sicher, dass er sie begehrte, denn sie hatten eine wunderbare Nacht zusammen verbracht. Ein Gefühl der Wärme durchflutete sie, wenn sie nur daran dachte. Und dann hatte er sie am nächsten Morgen festgenommen. Er hatte ihr etwas vorgespielt, und doch, je mehr sie ihn kennenlernte, desto weniger konnte sie das glauben. Es passte nicht zusammen. Sie war zuerst wütend und verletzt gewesen, dass er sie so hintergangen hatte. Aber sie hatte sich schnell daran erinnert, dass Liebe im Leben der Emmanuelle Foulaise sowieso nicht vorgesehen war. Sie konnte ihm daher nüchtern betrachtet keinen Vorwurf machen, er hatte Viviana aus dem Meer das Herz gebrochen und nicht ihr. Aber die Erinnerung an ihre Nacht mit Julian ließ sie nicht los. Viviana hatte sich geliebt und geborgen gefühlt, und der Hunger und die Sehnsucht, dieses Gefühl noch einmal zu erleben, waren groß. Vielleicht, wenn sie noch einmal das Bett miteinander teilten, würde dieser Bann gebrochen werden. Sie blickte auf Julian, der sie vorsichtig abwartend ansah. Einmal von diesen Gründen abgesehen, wollte sie ihn schlicht und einfach. Er hatte etwas an sich, das sie reizte, und seine Art, sie zu lieben, war intensiv und zärtlich. Er war kein Liebhaber, der nur an sich dachte. Warum also sollte sie ihn nicht verführen? Sie hatten Zeit, und sie würde ihn nach dem heutigen Tag wahrscheinlich sowieso nicht wiedersehen. Der letzte Gedanke gab den Ausschlag, und Viviana rückte ein Stückchen näher. Sie legte ihre Hand auf seinen Schenkel und schob sie mit leichtem Druck nach oben.
»Viviana, lass das.« Julian hielt ihren Arm fest.
»Ich habe zwei Hände«, schnurrte sie.
»Ich auch.« Er packte ihr anderes Handgelenk.
Sie beugte sich zu ihm vor, und ihr Gesicht war seinem ganz nah. Seine Züge waren angespannt, aber er drehte den Kopf nicht zur Seite. Zärtlich rieb sie ihre Wange an seiner, und ihre Lippen berührten leicht seinen Mund. Das Gefühl, das in ihr hervorbrach, überraschte sie. Zärtlich glitten ihre Lippen über sein Gesicht. Julian atmete schwer. Schließlich ließ er ihre Handgelenke los, nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände und begann, sie zu küssen.
»Pass auf deinen Arm auf«, flüsterte sie.
»Dafür ist es jetzt zu spät.«
Vivianas Hände wanderten zu ihrem Ziel, und sie stellte mit Genugtuung fest, dass er sehr wohl für ihre Reize empfänglich war. Sie löste das Band seiner Hose, und ihr Streicheln entfachte sein Feuer noch mehr. Julian ließ ihr Gesicht los, und seine Hände glitten unter ihr Kleid und an ihren glatten Schenkeln empor. Er umfasste ihre Hüften und hob sie auf sich. Ein lustvolles Stöhnen löste sich aus Vivianas Kehle, als sie einander in einem gierigen, heftigen Rhythmus fanden.
»Ich habe doch gesagt, ich könnte dich verführen.« Viviana lächelte zufrieden, als sie sich erschöpft an Julians Brust schmiegte.
»Ich habe nie behauptet, dass du es nicht könntest. Ich habe lediglich gesagt, dass es keine gute Idee ist.«
»Und, war es keine gute Idee?«
»Jetzt im Moment oder später, wenn ich wieder bei Sinnen bin?«
»Zum Teufel mit dir, Julian.« Sie lachte und setzte sich auf, um ihr Kleid zu richten.
Er sah ihr zu, wie sie die Bänder ihres Kleides band. Schmerzhaft wurde ihm bewusst, wie sehr er sie liebte. Ja, sie war eine Feindin, aber sie war auch ein Opfer der Umstände. Zu welcher Frau wäre sie herangewachsen, wenn ihre Werte und ihre Weltsicht nicht vergiftet worden wären?
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