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Das Anastasia-Syndrom

Titel: Das Anastasia-Syndrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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Zauberei.«

    »Erzählt sie alte Sagen oder denkt sie sich selber Geschichten aus?« brachte Judith mühsam heraus; ihre Kehle war wie zuge-schnürt.
    »Beides.« Dann hatte die Kellnerin ihren Bericht unterbrochen und nachdenklich festgestellt: »Wissen Sie, ich werd einfach den Gedanken nicht los, daß sie einsam ist, haben Sie das denn nicht gemerkt? Freunde jede Menge, aber niemand, der wirklich zu ihr gehört.«
    Aber jetzt hat sie einen Menschen, der endlich zu ihr gehört, dachte Judith, als sie den Mantel aufhängte. Sie hat mich!
    Auf der Rückfahrt tauchten weitere Erinnerungsfetzen auf.
    Polly und sie beim Spielen in der Wohnung im Kent House. Wir hatten die gleichen Korbpuppenwagen, fiel Judith ein. Meiner hatte ein gelbes Verdeck, der von Polly ein hellrotes.
    Am folgenden Tag fanden die Wahlen statt. Auf dem Bahnhof hatte sie die führenden Zeitungen gekauft. Alle sagten einen Sieg der Konservativen voraus. Wie sämtliche Meinungsumfra-gen zeigten, kam der Ruf der Labour Party nach einem Regie-rungswechsel beim Durchschnittswähler nicht an, den der Terrorismus zutiefst beunruhigte, so daß Sir Stephen Halletts Forderung nach Wiedereinführung der Todesstrafe viele waschechte Labour-Anhänger veranlassen würde, gegen die Parteilinie und für ihn zu stimmen.
    Das Buch war abgeschlossen. Sie hatte Polly gefunden. Morgen würden die Konservativen die Wahl gewinnen, und tags darauf würde Stephen Premierminister. Wie war es möglich, daß sie nicht vor Freude außer sich geriet, fragte sich Judith. Warum fühlte sie sich so unendlich traurig, so ohne jede Hoffnung?
    Typische Streßreaktionen, befand sie, als sie sich Salat und ein Omelett zubereitete. Sie saß am Küchentisch, las beim Essen die Zeitungen und dachte daran, daß sie tags zuvor zusammen mit Stephen auf der schmalen Bank gehockt hatte.
    Sie konnte die Wärme spüren, wenn seine Schulter die ihre streifte, seine Hand auf der ihren lag, während sie Kaffee tranken. In ein paar Tagen würde sie sich öffentlich an seiner Seite zeigen. Sobald die Wahl hinter ihm lag, bestand kein Grund mehr für Heimlichkeiten. Lächelnd goß sie sich aus der runden Porzellankanne eine Tasse Tee ein – Harley Hutchinson, dieser lästige Klatschkolumnist, würde sich vermutlich damit brüsten, er habe von Anfang an genau Bescheid gewußt über ihre Beziehung.
    Sie wusch erst noch das bißchen Geschirr ab und räumte es weg, bevor sie ins Arbeitszimmer ging und die Nachricht auf ihrem Anrufbeantworter entdeckte. Commander Jack Sloane von Scotland Yard würde es sehr begrüßen, wenn sie am nächsten Vormittag dort vorbeikommen könnte. Würde sie bitte anrufen, um den genauen Termin zu vereinbaren?

    Um 11 Uhr am Wahltag befand sich Sloane im Büro von Deputy Assistant Commissioner Barnes. Beide erörterten sachlich und nüchtern die Lage.
    »Eine heikle Geschichte«, gab Barnes zu. »Ich bin nicht bereit, Miß Chase zu sagen, daß es sich um eine Untersuchung handelt. Laut Lynch könnte Polly Parrish, die Schwester, ohne die grauen Strähnen glatt eine Doppelgängerin sein, wie geklont.
    Haben Sie die Geburtenregister durchforsten lassen und sich die Personalakte der Royal Air Force über den Vater angesehen?«
    Sloane nickte. »Es gab sonst keine Geschwister.«
    »Das schließt nicht aus, daß vielleicht eine Kusine oder eine völlig Fremde existiert, die Miss Chase täuschend ähnlich sieht.
    Wir haben nur den einen direkten Anhaltspunkt, daß Collins Judith Chase beschattet hat und sich im Royal Hospital befand, als der Sprengkörper explodierte. Wissen Sie, wie ein Anwalt mit dieser Art von Beweisführung verfahren würde? Er würde ein halbes Dutzend Doppelgängerinnen von der Chase auftrei-ben, und der Fall wäre gestorben.«

    »Und in der Zwischenzeit hätten wir den Ruf von Miss Chase zerstört.«
    »Genau.«
    »Diese Narbe, die Watkins und der Zeuge aus dem Royal Hospital erwähnten – besteht eventuell die Möglichkeit, daß es sich um einen Humbug handelt, daß sie sich die auf die Hand malt, als eine Art Symbol für irgendwelche schwarze Magie?«
    »Dazu wurde Watkins in die Zange genommen. Er behauptet, sie aus nächster Nähe betrachtet und betastet zu haben. Offenbar habe sich niemand die Mühe gemacht, sie ordentlich zu vernä-
    hen, die Haut sei wie Leder, rissig und verschrumpelt. Zum Beweis berichtete er, daß er sie im Bett gebeten haben, ihm damit über den Rücken zu streichen, das sei ein toller Lustgewinn gewesen.«
    Jack Sloane war

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