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Das andere Ende der Leine: Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt (German Edition)

Das andere Ende der Leine: Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt (German Edition)

Titel: Das andere Ende der Leine: Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia B. McConnell
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Eltern so viel abverlangt wie ein junger Primat, egal ob Schimpanse oder Mensch, tut gut daran, sich mit effektiven Waffen auszurüsten, um seine lange Zeit leidgeprüften Eltern über all die Jahre des Großwerdens hinweg bei Laune zu halten.
    So gut wie jedes Säugetier, dessen Kopf und Füße etwas zu groß für den Körper sind, weckt in uns die gleichen fürsorglichen Gefühle. Babyhunde, Babykatzen und Babybären lösen bei den meisten Menschen die gleiche Reaktion aus, denn sie alle haben das universelle Kindchenschema, dass direkt unser Herz anspricht. Es ist, als ob wir nicht anders könnten, als auf diese bestimmte Art von visuellem Signal mit dem Wunsch nach Fürsorge zu reagieren. Es funktioniert sogar bei Nagetieren: Als Walt Disneys Mickey Mouse in den späten 1920er Jahren entstand, sah sie eher wie ein Erwachsener aus anstatt wie die kulleräugige, großköpfige und großpfotige »süße« kleine Maus, die sie heute ist. Stephen Jay Gould, ein Experte der Evolutionsbiologie, schrieb eine Abhandlung über die Anziehungskraft des Kindchenschemas, die vergleichende Messungen an Mickey Mouse enthielt und zeigte, wie die Comicfigur in dem Maße beliebter wurde, in dem sie kindchenähnlicher wurde.
    Auch andere Arten stehen im Bann des Kindchenschemas. Das berühmteste Beispiel ist wohl Koko die Gorilladame, die das Manxkätzchen All Ball adoptiert hatte und fütterte, bis es bei einem Unfall umkam. Trotz ihrer riesenhaften Größe trug Koko das winzige Kätzchen vorsichtig herum und pflegte es, als ob es ihr eigenes Kind wäre. Als All Ball starb, war sie offensichtlich tief erschüttert: Zuerst wurde sie teilnahmslos und begann dann, Gorilla-Trauerrufe auszustoßen. Nicht nur Primaten reagieren auf babyähnliche Merkmale: Manche Singvögel können von Fischen an der Nase herumgeführt werden, die ihre Köpfe über den Wasserspiegel hinausstrecken und wie junge Vögel das Maul aufsperren. Ein aufgesperrter Schnabel ist das Merkmal, das bei Vögeln elterliche Fürsorge auslöst. Für sie ist es die Entsprechung der Kulleraugen und großen Köpfe – also flattern die armen Vögel los und stopfen Futter in das Maul der Fische anstatt in den Schnabel ihrer eigenen Jungen.
    Wir Menschen reagieren auf junge Hunde wie auf kleine Kinder, weil auch sie überproportional große Köpfe, Stirn, Füße und »Hände« haben. Große Augen und tapsige Pfoten haben Millionen von Hunden in mit Teppichböden ausgelegte Wohnzimmer und geheizte, gepolsterte Hundekörbchen befördert. Diese Merkmale spielten vielleicht eine maßgebliche Rolle im Prozess, der Hunde in unsere Häuser brachte – so mancher Dorfbewohner konnte vielleicht einfach nicht widerstehen, einen kulleräugigen kleinen Welpen zu adoptieren. Aber die Anziehungskraft, die das Kindchenschema auf uns ausübt, hat auch ihre düsteren Seiten. Oft ist sie schuld, wenn Menschen sich einen Hund anschaffen, obwohl sie überhaupt keinen Hund möchten. Sie sehen einen Welpen und möchten sich um ihn kümmern, aber leider dauert die Welpenzeit nur ein paar Monate. Mit fünf Monaten beginnt der Welpe sich in einen rüpelhaften Jugendlichen zu entwickeln, der dazu neigt, nicht auf seine Eltern zu hören. Tierheime können so viele Welpen vermitteln, wie sie hereinbekommen, aber für die Mehrheit der erwachsenen Hunde, die ihre Zwinger überfluten, finden sie nur schwer ein neues Zuhause. Wenn Hunde ihren »Niedlichkeitsfaktor« verlieren, verlieren sie eins der Argumente, dass es für uns lohnenswert macht, sich um sie zu kümmern. Schade aber für sie ist, dass sie genau wie menschliche Jugendliche in diesem Alter immer noch viel Aufmerksamkeit und Zeit benötigen – auch wenn diese Anstrengungen der Eltern nicht immer so belohnt werden. Es scheint egal zu sein, ob die Teenager zwei- oder vierbeinig sind – man braucht einen entschlossenen Charakter, um es mit ihnen in der Pubertät aufzunehmen, wenn sie schwierig und nicht mehr so niedlich sind.
    D IE T RAGÖDIE DER W ELPENFABRIKEN
    Eine der tragischsten Konsequenzen unserer Reaktion auf Niedlichkeit ist die unabsichtliche Unterstützung so genannter Welpenfabriken. Wie am Fließband werden hier unter Bedingungen, die Ihnen den Magen umdrehen würden, Welpen gezüchtet. Es gibt sie überall, in den USA vor allem im Süden und mittleren Westen. Sie sind eines der bestgehüteten Geheimnisse der amerikanischen Gesellschaft und verursachen für unzählige Tiere unsägliches Leid. In der letzten, die ich aufgesucht habe,

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