Das andere Ende der Leine: Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt (German Edition)
das Sie je in Ihrem Leben gesehen haben. Kindliche Merkmale haben einen so starken Effekt auf uns, dass allein der Anblick eines Welpen die Hormone in unserem Körper durcheinander bringen kann. Diese Hormone sollten Sie nicht unterschätzen, es sind ernsthafte Kräfte in Ihrem Inneren, die entscheidenden Einfluss auf Ihr Handeln haben können. Denken Sie beim Anschauen von Welpen an die Vögel, die nicht anders konnten als die Fische anstatt ihrer eigenen Kinder zu füttern und fragen Sie sich, was genau Ihre Entscheidung, diesen kulleräugigen Welpen mitzunehmen, beeinflusst: Das »Oh-Phänomen« oder die bewusste Entscheidung, für die nächsten fünfzehn Jahre einen Hund haben zu wollen?
Ich schaue mir nie einen Wurf Welpen an, bevor ich nicht entschieden habe, ob mir die Eltern gefallen – denn wenn ich einmal neben den schnuffelnden, samtbäuchigen Welpen hocke, bin ich erledigt. Als ich einmal fuhr, um mir einen Wurf von Pyrenäenberghunden anzuschauen, bat mich die Züchterin, draußen zu warten, bis sie die Hündin weggebracht hätte, denn sie hätte einen »starken Beschützerinstinkt«. Hündinnen, die Fremde nicht an ihre Welpen lassen, tragen nicht die Gene, die ich möchte, also bedankte ich mich und fuhr wieder. Die Züchterin, die wirklich gute Herdenschutzhunde züchtete, konnte gar nicht glauben, dass ich nicht wenigstens zum Anschauen hereinkommen wollte. Aber ich wusste, wenn ich das tat, würde ich meinen Hormonen erliegen und einen Welpen mitnehmen, den ich besser nicht mitnehmen sollte.
Wenn sie sich trotz all dieser Warnungen in einer Zoohandlung (oder sonst wo) wiederfinden, wo Welpen angeboten werden und Sie vom Wunsch überwältigt sind, einen mitnehmen zu wollen, dann fragen Sie den Verkäufer, wo der Welpe herkommt und bestehen Sie darauf, selbst an diesen Ort hinzufahren und ihn zu besichtigen. Die Verkäufer jeder mir bekannten Zoofachhandlung werden Ihnen natürlich alle versichern, dass sie niemals Welpen aus einer Welpenfabrik anbieten würden, aber bestimmt haben Sie schon selbst festgestellt, dass viele nette Verkäufer in vielen netten Läden Ihnen viele nette Dinge erzählen, die sich nicht immer als durch und durch wahr herausstellen. Bestehen Sie darauf, die Eltern des Welpen und die Züchter selbst sehen zu dürfen. Verlangen Sie, sehen zu dürfen, wo die Mütterhündinnen gehalten werden, während sie ihre Welpen aufziehen. Sprechen Sie persönlich mit dem Tierarzt, der den Hund durchcheckt.
Wenn alles in Ordnung ist, dann prima, kaufen Sie den Welpen. Wenn nicht, beschweren Sie sich in der Zoofachhandlung, rufen Sie den Tierschutzverein an, rufen Sie beim Gesetzgeber an und lassen Sie jemand anderen, der nicht so gut Bescheid weiß wie Sie, den Welpen kaufen.
Versuchen Sie, die armen Eltern des Welpen aus ihrer Hölle herauszuholen. Nur, weil sie keine niedlichen Welpen mehr sind, heißt das nicht, dass sie Sie nicht brauchen.
Z UM K NUDDELN SÜSS
Das andere Problem, das die Anziehungskraft des Kindchenschemas auf uns mit sich bringt, ist der relativ neue Trend zum Züchten von Hunden mit kinderähnlichen Gesichtern. Neben der Überproportionalität mancher Körperteile ist ein flaches Gesicht ein weiteres typisches Merkmal junger Säugetiere. Welpen haben zu Beginn flache kleine Gesichter und sehen aus wie kleine Bobby Cars, vorne abgerundet und abgeflacht. Wenn ein Hund heranwächst, ändert sich die Form seines Fangs, damit er Fleisch jagen und fressen kann. Viele unserer heutigen Hunderassen (von denen die meisten überraschend jung sind, nur etwa um die hundert Jahre) entstammen Bemühungen, Hunde mit teddybärähnlichen Gesichtern zu schaffen – große Augen, große Stirnpartien und flacher, welpenähnlicher Fang. Dass wir flache Gesichter gefällig finden, heißt aber noch nicht, dass sie für die Hunde gut sind. Das Gesicht eines niedlichen Hundes mit platter Nase wie bei einem Mops oder einer Französischen Bulldogge ist das Ergebnis einer anormalen Verkürzung der Schädelknochen, die man als Brachycephalie bezeichnet. Sie wird bei Menschen als schwere Behinderung betrachtet und wird von einer Mutation verursacht, welche die grundlegenden Lebensfunktionen stört: Atmung und Aufrechterhaltung der richtigen Temperatur im Gehirn. Platte Hundenasen mögen auf manche Menschen entzückend wirken, aber das Wohlbefinden des Hundes ist gestört. Hunde wie Bulldoggen können einfach nicht mehr normal atmen oder hecheln, wie Besitzer bestätigen können, die sie
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