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Das andere Ende der Leine: Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt (German Edition)

Das andere Ende der Leine: Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt (German Edition)

Titel: Das andere Ende der Leine: Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia B. McConnell
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fliegen auf Welpen. Wir schmelzen jedes Mal, wenn wir einen sehen, dahin wie Butter in der Sonne. Gehen Sie mit einem Welpen spazieren und Sie werden von lächelnden Menschen umringt, die ihn einfach streicheln müssen. Sie werden dämlich grinsen und süße Worte trällern, als ob Sie selbst gerade ein Baby bekommen hätten. Sie werden freundlich und hingebungsvoll, wo sie doch vor einer Minute noch hektisch und beschäftigt waren. Natürlich finden wir nicht nur Hundewelpen süß. Wir fliegen auf die Jungen aller Säugetiere, von Kätzchen bis hin zu Elefantenbabys.
    Es gibt einen Grund dafür, und der hat mit unserer Natur als soziale Lebewesen zu tun, die für ihr Überleben vollkommen von Erwachsenen abhängig sind. Wir sind bei der Geburt hilflos und haben ohne intensive, lang andauernde elterliche Pflege keine Überlebenschance. Diese verlängerte Periode der Entwicklung unter elterlicher Obhut ist ein typisches Merkmal der Primaten und unterscheidet uns von vielen anderen Säugetieren. Schauen Sie sich Fohlen, Lämmer oder junge Antilopen an: Sie alle sind ein paar Stunden nach der Geburt in der Lage, an der Seite ihrer Mutter zu laufen. Aber viele intelligente und hoch soziale Tiere – wie Primaten, Elefanten, Wölfe und Haushunde – werden hilflos und bedürftig geboren, sie brauchen die elterliche Fürsorge nicht nur unmittelbar nach der Geburt, sondern auch noch lange Zeit danach. In dieser Hinsicht sind wir Primaten den Hunden ähnlicher als den meisten anderen Tieren.
    Obwohl Welpen genauso hilflos zur Welt kommen wie ein neugeborenes Kleinkind, wachsen sie doch viel schneller auf als wir. 5 Im Alter von drei Wochen machen Welpen ihre ersten ungeschickten Schritte (auch wenn sie zugegebenermaßen meistens rückwärts sind). Im Alter von einem Jahr mag ein Hund körperlich noch nicht reif sein, ist aber schon stark und schnell und zu einiger ernsthafter Arbeit fähig. Ein Jahr alte Hunde sind schon gut in Hundesportarten wie Frisbee oder Ballspielen (wobei ihnen Übertreibung allerdings schaden kann), und ein einjähriger Hütehund ist schnell genug, um selbst das flüchtigste Schaf einzuholen. Ein Kind dagegen ist mit einem Jahr gerade in den Anfängen des Gehenlernens und wohl kaum in der Lage, schon mit dem Tennisunterricht zu beginnen. Im Vergleich zu Lämmern sind Hunde Spätentwickler, aber im Vergleich zu Hunden wachsen wir Menschen im Schneckentempo heran.
    Diese langsame Entwicklung hat einen guten Grund. Es braucht viel Lernen und Erfahrung, um in einer so komplizierten Gesellschaft wie der der Primaten zurechtzukommen. Egal ob Sie ein Schimpanse, Bonobo, Gorilla oder Mensch sind, es dauert Jahrzehnte. Während dieses zeitlupenartigen Entwicklungsprozesses sind Kinder zwar abhängig, aber nicht ohne eigene Kraft. Kinder sind mit einem Repertoire visueller Signale ausgestattet, mit dem sie jeden Erwachsenen in die Knie zwingen können. Das niedliche Gesicht eines großäugigen Zweijährigen besitzt die Kraft, selbst den härtesten Erwachsenen zum Dahinschmelzen zu bringen. Unsere Kinder sehen nicht aus wie eine Miniaturausgabe der Erwachsenen. Sie haben anatomische Merkmale, die Fürsorgebereitschaft bei Erwachsenen auslösen wie das Licht Motten anzieht. Im Verhältnis zum Rest ihres Körpers haben Kinder proportional größere Köpfe und Augen als Erwachsene, zusammen mit einer größeren Stirn, größeren Händen und weiter auseinander stehenden Augen. Dieses Gesamtbild babyhafter Proportionen ruft bei uns unfehlbar immer die gleiche Reaktion hervor. »Ooh,« sagen wir, wenn wir das Foto eines Kleinkindes sehen und reagieren mit warmen, fürsorglichen Gefühlen. Diese Reaktion ist so universal, dass manche Psychologen sie das »Oh-Phänomen« nennen. Zeigen Sie in einer Präsentation das Dia eines Kleinkindes, und ein vernehmliches »Oh« kommt aus den Reihen der Zuhörer. Diese Reaktion ist nicht albern und nicht trivial, sondern biologisch wichtig. Wenn Erwachsene nicht auf diese Signale reagieren, werden sie keine besonders erfolgreichen Eltern werden. Wenn sie keine erfolgreichen Eltern sind, werden sie nicht viele ihrer eigenen Gene weitergeben. Auf diese Weise hat die natürliche Auslese eine Spezies geschaffen, die beim Anblick von Babys und babyähnlichen Merkmalen geradezu närrisch wird. Außerdem – wenn zweijährige Kinder nicht so ausnehmend entzückend aussehen würden, wie viele von ihnen würden es bis zum dritten Lebensjahr schaffen? Jedes junge Lebewesen, das seinen

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