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Das Archiv

Das Archiv

Titel: Das Archiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Frank
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dutzendmal schärfte er ihr das ein. Sie sagte ja, ja, sie habe schon verstanden. Dann redete sie wieder von dem längsgestreiften Kleid. Er lächelte nur und erzählte vom Urlaub in Mallorca. Genosse Miroslaw Slobodim machte seine Sache ganz ausgezeichnet.

 

    XXIV
    Er hatte einen Plastikkanister gekauft und den Tankwart ziemlich verwundert, als er ihn anfüllen ließ, anstatt zu tanken. War doch weit und breit keine Benzinpreiserhöhung zu erwarten. Ob »Super« oder »Normal«, wollte der Tankwart wissen. Bill entschied sich für »Normal« und grinste dabei. Der Tankwart wollte noch Öl und Wasserstand des Opels prüfen, aber Bill winkte ab. Komischer Kauz, dachte der Tankwart.
    In einem Selbstbedienungsladen kaufte Bill Briefumschläge, einen Schreibblock, zwei Kerzen – Restbestände von Weihnachten –, eine Plastikschüssel, fünf große Pakete Watte und eine Reisetasche. Dann ging er in ein Espresso und schrieb fast zwei Stunden lang. Es war ein kleines Espresso mit nur wenig Gästen. Der Kellnerin war langweilig und sie gähnte. Als sie dem emsig schreibenden Gast den dritten Cognac servierte, fragte sie neugierig, ob der Herr Schriftsteller sei. Der Herr verneinte. Er schreibe nur sein Testament und ein paar Abschiedsbriefe. Die Kellnerin gähnte, während sie wieder hinter die Bar ging. Die Hand hielt sie sich nicht vor.
    In einem Reisebüro erkundigte sich Bill nach den Abflügen vom Flughafen Schwechat nach zweiundzwanzig Uhr. Es gingen nur wenige Flüge um diese Zeit. Air-Canada nach Toronto, British Airways nach London, Lufthansa nach Kairo und Bagdad. Ob die Maschine nach Kairo ausgebucht sei? Keine Spur! Wer fliegt schon Ende Jänner nach Kairo. Dann telefonierte Bill mit der Amerikanischen Botschaft. Gegen zwölf Uhr dreißig war Bill wieder zu Hause. Er zündete eine der beiden Kerzen an und sah lange in die Flamme. Nach fünfunddreißig Minuten war die Kerze abgebrannt. Nach genau fünfunddreißig Minuten, Bill hatte auf die Uhr gesehen. Dann blies er die zuckende Flamme aus und warf den Wachsrest in die Klomuschel. Es war nach dreizehn Uhr, als er Hammerlang anrief.
    Polizeirat Hammerlang hatte am späten Vormittag einen langen Aktenvermerk zur Sache Herbert Winkler – Wilhelm Weiss diktiert und darin seiner Vermutung Ausdruck gegeben, daß sein Amtsvorgänger, Hofrat Dr. Rossmanek tatsächlich geheimdienstliche Unterlagen in einer Art Privatarchiv gesammelt hatte, das im Mordfalle eine bedeutende Rolle spiele. Der Aktenvermerk war für den Polizeipräsidenten und für den Minister bestimmt und sollte schon lange fertig sein, aber ausgerechnet heute mußte seine Sekretärin in der Mittagszeit etwas außer Haus erledigen. Hammerlang fluchte, aber er konnte ihr das schließlich nicht verbieten. Der Polizeirat wollte den Aktenvermerk noch einmal genau studieren, bevor er ihn weitergab. Er hatte diktiert, daß dieses Archiv vermutlich in Rossmaneks Schrebergarten zu suchen wäre und ein HD – ein Hausdurchsuchungsbefehl – von der Staatsanwaltschaft beantragt werden sollte. Vielleicht sollte er diesen Passus streichen. Das ging den Minister schließlich nichts an, unter Umständen war er dagegen, wie Minister eben so sind, und kritzelte ein »Nein« auf den Aktenvermerk, dann war schwerlich was dagegen zu tun. Je länger Hammerlang nachdachte, desto sicherer wurde er sich, diesen Absatz im Aktenvermerk streichen zu müssen.
    Und da war noch was, das er vielleicht ändern sollte. Er hatte seinen Bericht damit begonnen, daß die »letzten Erkenntnisse im Falle Winkler« von einem befreundeten Dienst gekommen waren. Das war schon zuviel. Der Präsident würde bei nächster Gelegenheit feststellen, seine Staatspolizei lebe ohnehin nur von den Mitteilungen befreundeter Dienste. Und warum sollte er sich Vorwürfe machen lassen. Er würde die Sache umdiktieren und folgendermaßen einleiten: Vertraulich wurde in Erfahrung gebracht. Das stimmte immer, klang besser, und niemand hatte zu fragen »woher«, es war eben vertraulich, basta! Als das Telefon klingelte und Hammerlang mit »einem Herrn Weiss« verbunden wurde, war es dreizehn Uhr vorbei und die Scherbler immer noch nicht zurück.
    Erstaunt hörte der Polizeirat diesen Bill Weiss sagen, daß er sich verabschieden wolle. Nein, verreisen sei nicht der richtige Ausdruck. Nein, auch nicht nur kurz wegfahren.
    Nein, Bill Weiss ginge zu seinem Freund, dem Herbert Winkler.
    »Hören Sie auf mit diesem Blödsinn«, bellte der Polizeirat. Er war nun

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