Das Aschenkreuz
sagen», gab sie bekannt, «dass morgen früh nochmals Ratsherr Nidank vorbeikommt. Mit dem neuen Stadtarzt.»
«Ist das wahr?»
«Ja, Herrin.»
Ein tiefer Seufzer fuhr durch den zerbrechlichen Körper der Frau, dann warf sie sich unter Tränen der Erleichterung in Serafinas Arme.
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Kapitel 4
E in Hahnenschrei aus einem der Hinterhöfe riss Serafina aus dem Schlaf. Am Ende hatte sie den Kampf gegen die Müdigkeit wohl doch verloren.
«Jetzt schau mich nicht so vorwurfsvoll an», flüsterte sie Heiltrud zu. «Schließlich ist das meine zweite durchwachte Nacht.»
«Als Seelschwester musst du das aushalten können», gab diese griesgrämig zurück und nahm einen Schluck von dem verdünnten Wein, den die Magd am Abend zuvor zusammen mit Brot und Käse in die Kammer gestellt hatte.
Auch Walburga Wagnerin war eingeschlafen. Sie saß auf ihrem Schemel an die Bretterwand gelehnt, mit einem ganz und gar friedlichen Ausdruck auf dem hübschen Gesicht. Die Hoffnung stirbt zuletzt, dachte Serafina und stärkte sich ebenfalls mit Wein und Brot. Dann begann sie leise das Vaterunser zu beten, und Heiltrud fiel in ihre Worte mit ein.
Die Hausfrau regte sich schlaftrunken. «Ist es schon Morgen?»
«Bald.» Heiltrud begann den Beutel mit dem Leichentuch auszupacken.
«So warte doch damit», zischte Serafina. Da klopfte es leise gegen die Tür, und die Magd trat ein, mit einem Topf dampfenden Milchbreis in den Händen. Sie stellte ihn auf der kleinen Holztruhe ab.
«Soll ich das Fester öffnen?»
Ihre Herrin nickte. Ein Schwall kühler Luft brachte die Kerzen zum Flackern.
«Sind Magnus und Diebold schon auf?»
«Sie richten sich gerade. Bis der Ratsherr kommt, wird es sicher noch ein Weilchen dauern.»
So verbrachten sie die Zeit mit Essen, Beten und Singen, und der Pfefferkornin war anzumerken, wie ihre Unruhe wuchs. Endlich waren von unten Männerstimmen zu hören.
Walburga Wagnerin sprang auf und glättete ihr Gewand.
«Sie sind da.» Nicht nur ihre Stimme zitterte. Serafina war mit einem Schritt bei ihr.
Die Tür schwang auf, und hintereinander erschienen der Hausvater, der Ratsherr mit seinem Schreiber und ein Mann, noch größer als Sigmund Nidank und um einiges massiger. Er musste sich durch das schmale, niedrige Türchen regelrecht hindurchzwängen. Sein bodenlanger, gegürteter Mantel von dunklem Grün und die Gelehrtenkappe, die er jetzt abnahm, ließen den studierten Medicus erkennen.
Serafinas Herzschlag setzte augenblicklich aus. Das durfte nicht wahr sein – was um Himmels willen hatte Adalbert Achaz aus Konstanz hier zu suchen?
Der Stadtarzt hingegen schien sie gar nicht wahrzunehmen. Sein erster Blick ging zu dem Toten, den er mit äußerster Konzentration von oben bis unten musterte. Dann trat er auf die Hausherrin zu, um ihr die Hand zu reichen.
«Mein Beileid von Herzen. Es ist gut, dass Ihr Euch seelischen Beistand geholt habt.»
Gedankenverloren nickte er den beiden Seelschwestern zu, wobei Serafina am liebsten im Boden versunken wäre. Doch der Medicus hatte sich längst wieder dem Ratsherrn zugewandt, und die Männer zogen sich in den dunklen Flur zurück, um sich dort mit gedämpfter Stimme zu beraten. Währenddessen überschlugen sich Serafinas Gedanken. War jetzt womöglich alles aus und vorbei? Musste sie wieder ganz von vorn anfangen, irgendwo in einer fremden Stadt?
Der Schreck über die unerwartete Begegnung war noch größer als der damals bei ihrer Ankunft in Freiburg: An jenem Tag war sie zeitgleich mit einer Schar königlicher Reiter am Stadttor eingetroffen, von denen sie einige mehr oder minder gut aus Konstanz kannte. Ihre erste Befürchtung war gewesen, dass man nach ihr suchte, und sie hatte sich schnell in einer Mauernische des Zwingers verborgen. Doch dann hatte sie inmitten der Männer die hagere, graubärtige Gestalt König Sigismunds ausgemacht, der sich derzeit auf dem Konzil von Konstanz mühte, die Einheit der römischen Kirche wiederherzustellen. Sofort schalt sie sich einen Narren: Einer so unwichtigen Person wie ihr würde wohl kaum der König in Person nachstellen! So hatte sie abgewartet, bis der Reitertrupp Einlass gefunden hatte, um dann mit einem strahlenden Lächeln die beiden Torwächter nach den Gründen für den hohen Besuch zu fragen.
«Es heißt, der flüchtige Papst Johannes würd’ sich in unsrem Freiburg versteckt halten. Drüben im Kloster bei den Predigern. Den wollen sie jetzt holen und in Heidelberg gefangen
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