Das Aschenkreuz
setzen.»
«Und stellt Euch vor», mischte sich der Ältere ein, «ausgerechnet
unser
Landesherr soll dem Papst eigenhändig zur Flucht verholfen haben. Diesem selbsternannten Drittpapst – als ob zwei Päpste nicht schon schlimm genug wären! Das wird dem guten Herzog Friedrich teuer zu stehen kommen. – Habt Ihr schon was vor, schöne Frau? Schlag zwölf hab ich Feierabend.»
«Werdet nur nicht dreist, guter Mann», gab Serafina lachend zurück. «Ich bin eine anständige Frau.»
Damit marschierte sie unbehelligt durch die Toranlage und machte sich auf die Suche nach der Schwesternsammlung Zum Christoffel, indessen immer noch auf der Hut, keinem der Königlichen zu begegnen.
Tage später hatte sie dann erfahren, dass Herzog Friedrich von Tirol, Herrscher über die österreichischen Vorlande und somit auch über Freiburg, als Fluchthelfer des verfemten Papstes mit Reichsacht und Kirchenbann belegt worden war. Für Freiburg hatte das weitreichende Folgen: Es wurde zur freien Reichsstadt, nur noch dem römisch-deutschen König untertan.
Die ruhige Bassstimme von Adalbert Achaz, der in Begleitung der anderen Männer in die Kammer zurückgekehrt war, riss sie aus ihren Erinnerungen.
«Wie ich eben erfahren habe, Schwester, wart Ihr es, die den Toten gefunden hat?»
Noch ehe Serafina etwas entgegnen konnte, blieb dem Stadtarzt der Mund offen stehen.
«Sehe ich recht? Sera…» Mit einem Blick auf ihr Gewand verbesserte er sich rasch. «Schwester Serafina?»
«Ganz recht, ich bin es», stieß sie hervor und versuchte, dem Blick aus seinen hellen Augen standzuhalten.
«Ihr kennt Euch?», fragte Nidank einigermaßen verblüfft.
«Kennen wäre zu viel gesagt. Wir … Wir sind uns einmal in Zürich begegnet», stotterte Serafina. «Oder war es in Basel? Selbstverständlich im Hause meiner damaligen Herrschaften, ich meine, im Beisein meiner Herrschaften.»
Sie glaubte, den Anflug eines Lächelns in Achaz’ glattrasiertem Gesicht zu erkennen.
«Ob Zürich oder Basel – es war jedenfalls ein ziemlich ungemütlicher Frühlingstag. Ungemütlich zumindest für die anderen Gäste. Wie dem auch sei, Schwester Serafina – Ihr also habt den Toten gefunden?»
Dabei betonte er das Wort
Schwester
eine Spur zu stark, wie sie befand. Doch sie hatte sich mittlerweile halbwegs gefasst.
«Nein, ich bin nur zur frühen Stunde hinzugekommen.»
«Zusammen mit diesem Bettelzwerg», ergänzte der Ratsherr.
«Ganz recht, zusammen mit Barnabas. Er war es, der mich in die Abtsgasse geführt hat, wo schon eine ganze Menge Volkes versammelt war.»
«Wann war das?»
«Ich meine, die Stadttore hatten eben erst geöffnet. Ich selbst kam vom Kirchhof her, wo ich die Nacht über Krankenwache gehalten habe.»
«Krankenwache – so.» Um Achaz’ Mundwinkel zuckte es erneut. «Ich würde jetzt gern den Leichnam untersuchen, im Beisein des Ratsherrn und seines Schreibers. Ihr Schwestern könnt also getrost nach Hause gehen.»
Er blickte sie auffordernd an. Zu Serafinas Überraschung streckte Heiltrud ihr Vogelschnabelgesicht vor und hielt ihm mit scharfen Worten entgegen: «Nein, das können wir nicht. Unsere Aufgabe ist es, den Toten ins Leichentuch einzunähen, und das werden wir tun, sobald Ihr mit Eurer Untersuchung fertig seid.»
«Genau», bestätigte Serafina. «Außerdem möchte ich Eure Einschätzung wissen. Und ganz gleich, wie diese ausfällt …» Sie fasste nach der Hand der Hausherrin, die stumm und wachsbleich neben ihr stand. «… werde ich dem Toten ein würdiges Geleit geben.»
Nidank war seine Verärgerung deutlich anzusehen, doch schließlich nickte er.
«Dann wartet unten in der Küche. Was ist mit Euch, Pfefferkornin – möchtet Ihr bei der Untersuchung dabei sein?»
«Ja, das möchte ich», sagte sie leise.
Mit weichen Knien folgte Serafina ihrer Mitschwester hinunter in die Küche. Dort setzten sie sich zur Köchin an den Tisch, die alles andere als erfreut war über diese Gesellschaft. Erst als Serafina ein Messer vom Bord zog und dabei half, das Gemüse zu schneiden, hellte sich die Miene der dicken Frau auf.
«Kanntet Ihr den Hannes gut?», fragte Serafina.
«Was heißt gut? Bin noch nicht so lang hier im Haus, erst seit drei Jahren.»
«War er unglücklich?»
«Nein, warum auch? Er war ja das Herzblatt seiner Mutter, ihr Ein und Alles. Na ja, gelitten hat er manchmal schon. Unter dem strengen Vater, vor allem aber unter dem jähzornigen Bruder.»
Da hatte sie’s: Nicht nur die eigene Mutter,
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