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Das Aschenkreuz

Das Aschenkreuz

Titel: Das Aschenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Glaubenslehre zurückzufinden. Bei so viel Mühe brauchte es nach den stundenlangen Sitzungen im Münster leibliche und geistige Entspannung, brauchte es üppige Tafelfreuden, glanzvolle Tanzfeste und natürlich das Vergnügen weiblicher Bekanntschaften. Letzteres war selbstredend auch den Heerscharen von Dienern und Arbeitern zugedacht.
    Bald schon rieb sich Meister Gerhard, Serafinas Frauenwirt, die Hände angesichts der klingenden Münzen, die seine Schatulle stetig und nicht zu knapp füllten. Sein Haus Zum Blauen Mond, das in bester Lage in der Niederburg stand, nur einen Steinwurf vom Münster entfernt, ward nämlich von wahrhaft vornehmen Herrschaften aufgesucht, und zu Johanni speiste hier regelmäßig der Schultheiß mit seinen Amtsdienern bei schöner Musik. Dafür hielt der Hurenwirt das stattliche Anwesen, das er gegen einen wöchentlichen Zins von der Stadt gepachtet hatte, auch gut in Schuss. Fensterläden und Fachwerkgebälk prangten stets in frischen Farben, das steinerne Erdgeschoss war sauber verputzt, auf dem Schieferdach flatterte der Stadtwimpel im Wind. Sogar eine eigene Badstube gab es, und die zehn, zwölf Frauen, die für ihn arbeiteten, waren angehalten, sauber und appetitlich auszusehen.
    Auch im Innern machte das Haus etwas her. Der große, beheizbare Gesellschaftsraum diente den Gästen zur Bewirtung, hier wurde mit den Frauen getanzt und gesungen, und wer sich zurückziehen mochte, folgte seiner Auserwählten über eine Innentreppe in den ersten Stock. Dort befanden sich die Arbeitsräume, saubere, schlichte Kammern, die mit einem breiten, bequemen Bett und einem Tischchen ausgestattet waren. Meister Gerhard und seine Ehewirtin wohnten in einem Anbau, zum Hinterhof hinaus, und Serafina selbst hatte einige Jahre zuvor zwei kleine Zimmer unter dem Dach bezogen. Sie genoss diesen Vorteil, den sie nicht zuletzt ihrer guten Beziehung zur Hurenwirtin zu verdanken hatte. Die meisten der öffentlichen Frauen lebten nämlich nicht im Bordell, sondern in schäbigen Quartieren beim Hafen. Sie mussten ihre Kleidung mit gelben Borten und Bändern kennzeichnen, wenn sie auf dem Weg ins Hurenhaus auf Kundenfang gingen, und sich dabei oft genug von jungen Burschen in aller Dreistigkeit anpöbeln lassen. Serafina hingegen war so gefragt bei den Herren, dass sie sich ihre Freier sogar aussuchen konnte.
    Um so vieles besser hatte sie es inzwischen als damals in jenem armseligen Häuschen am Ziegelgraben, gleich bei der Henkerswohnung, wohin sie als junges Mädchen einst verschleppt worden war. Dort waren sie und ihre Gefährtinnen nicht nur von den Freiern, sondern auch vom Hurenwirt gedemütigt und geschlagen worden. Die Kerle, die dort verkehrten, hielten sich nicht auf mit Höflichkeiten und netten Worten, und man
vergnügte
sich auch nicht mit einer Hurenmaid, sondern ritt sie oder stampfte sie, bearbeitete oder beackerte sie. Und wenn eine dann einen gefüllten Ranzen hatte, weil sie zu dumm und zu jung war, sich vorzusehen, holte man das Kindchen, kaum war es aus dem Leib gekrochen, und brachte es weg.
    Im Haus Zum Blauen Mond indessen genossen die Freier den erlesenen Wein und die herzhaften Speisen nicht weniger als die Gesellschaft der Frauen. Klerikern, Ehemännern und Juden war zwar wie überall im Land der Bordellbesuch von Amts wegen verboten, doch gerade während der Zeit des Konzils scherte sich keiner darum. So hatten sie oft genug geistliche Würdenträger und Herren von Adel zu Gast, und einmal war sogar der weit berühmte Dichter und Sänger Oswald von Wolkenstein bei ihnen eingekehrt. Der korpulente, einäugige Ritter, der im Gefolge des Königs in Konstanz weilte, hatte ausgerechnet Serafina auserkoren und war sogar die ganze Nacht geblieben. Mit seinen lustigen Schwänken hatte er sie mehr als ein Mal zum Lachen gebracht, und was danach im Bett folgte, war auch für Serafina ein Vergnügen gewesen, was höchst selten vorkam.
    Mitunter allerdings traten bei den Männern recht absonderliche Vorlieben zutage. So gab es einen alten Grafen, der sich stets drei Frauen aussuchte und sich dann, entblößt bis auf einen Lendenschurz, von ihnen mit silbernen Ketten fangen und fesseln ließ. Ein anderer wollte mit zuvor ins Wasser gelegten Besenruten gegeißelt werden, und ein dritter genoss es, wenn die Frauen ihm, bei feinem Gewürzgebäck und altem Wein, nackt vortanzten, ohne dass es ihm nach weiteren Freuden gelüstet hätte.
    Einmal nur hatte Serafina im Haus Zum Blauen Mond etwas

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