Das Atmen der Bestie (German Edition)
indianischen Legende in Zusammenhang steht. Jetzt will sie mit irgendeinem Medizinmann im Round Valley reden. Was hältst du davon?«
Er zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht. Vielleicht ist es eine gute Idee. Jede Theorie ist besser als gar keine.«
Ich nahm meine Hand vom Hörer. »Okay, Jane. Dr. Jarvis meint, dass wir es versuchen sollten.«
»Du hättest mich sowieso nicht davon abhalten können«, meinte sie eingeschnappt.
»Jane«, sagte ich irritiert. »Ich habe den ganzen verdammten Nachmittag damit verbracht herauszufinden, wo du steckst. Wir hatten zwei Verletzte und einen Toten. Es ist für keinen von uns ratsam, jetzt etwas auf eigene Kappe zu unternehmen.«
»Ich wusste nicht, dass du dir solche Sorgen gemacht hast.«
»Du weißt verdammt genau, dass es so ist.«
»Tja, wenn dir so viel an mir liegt, dann kommst du besser mit mir morgen nach Round Valley. Ich leihe mir Bill Thorogoods Wagen.«
Ich legte den Hörer auf. Morgen war wenigstens Samstag, also musste ich mir nicht schon wieder eine neue Entschuldigung für meinen Boss, Douglas P. Sharp, einfallen lassen.
Ich sagte zu Dr. Jarvis: »Jetzt scheine ich mir selbst den Kopf in die Schlinge gelegt zu haben. Ich hoffe nur, dass es das wert ist.«
Er drückte seine zweite Zigarette aus und zuckte die Achseln. »Es gibt Zeiten, da wird man in der Medizin mit Fällen konfrontiert, die einen beleben. Solche Herausforderungen wie schwere Fälle von Vergiftungen oder ungewöhnlich komplizierte Brüche. Dann spürt man, dass es sich lohnt, Arzt zu sein, dafür die Personalpolitik des Krankenhauses, die Streitigkeiten über finanzielle Zuteilungen und das alles zu ertragen.«
Er schaute auf und fügte hinzu: »Und dann gibt es Zeiten wie diese: Man versteht überhaupt nicht mehr, was eigentlich vor sich geht, und man verliert seine Energie. Ich könnte den ganzen Tag zwischen Dan Machin, Bryan Corder und Seymour Wallis herumrennen und wäre doch nicht in der Lage, auch nur das Geringste für sie zu tun.«
Er griff nach den Zigaretten. »Mit anderen Worten, John, fahre zum Round Valley und schätze dich glücklich, dass du überhaupt irgendetwas tun kannst. Ich kann es nicht.«
Ich sah ihn eine Weile an. »Ich wusste nicht, dass Ärzte auch schwermütig werden können. Ich habe geglaubt, das würde nur in Filmen passieren.«
Er räusperte sich. »Und ich habe geglaubt, dass das, was hier im Augenblick passiert, nur in Albträumen passiert.«
Samstagmorgen war ein schöner und klarer Tag. Wir fuhren über die Golden Gate. Der Ozean glänzte unter uns und das Sonnenlicht tanzte in unruhigen Flecken über die Brückenseile und die Pfeiler. Jane saß bequem zurückgelehnt auf ihrem Sitz. Sie trug eine rote Seidenbluse und weiße Levis, auf ihrer Nase ruhte eine riesige Sonnenbrille und um ihr Haar hatte sie ein rotes Tuch gebunden.
Bill Thorogood war der glückliche Besitzer des weißen Jaguars XJ 12 und außerdem großzügig genug, dass er ihn verlieh – ich saß hinter dem Lenkrad und bildete mir ein, ich sei ein angehender Filmstar, der einen Tagesausflug zu einem teuren Restaurant macht, anstatt ein Angestellter des Gesundheitsamtes, der 160 Meilen nach Round Valley zu rasen hatte.
Wir schossen mit 100 Meilen die Stunde durch Marin und Sonoma County, durch Cloverdale, Preston und Hopland. In Ukiah machten wir Mittagspause. Die Sonne stand hoch am Himmel und der Wind blies vom Lake Mendocino herauf. Wir saßen hinter einer niedrigen Windschutzmauer vor einer Raststätte, aßen Chiliburger und beobachteten, wie ein Vater versuchte, seine fünf Kinder zusammen mit Angelzeug, aufblasbaren Booten und Zelten in seinen Kombi zu stopfen. Sobald er endlich alles verstaut hatte, kletterte ein Kind doch wieder heraus und dann musste er noch einmal zum Heck des Wagens gehen, um alles neu zu verstauen.
»Die Flüchtigkeit des Daseins«, bemerkte Jane. »So schnell man etwas tut, so schnell ist es wieder dahin.«
»Ich glaube nicht, dass das Leben flüchtig ist.«
Jane trank Coca-Cola aus der Dose. »Du glaubst also nicht, dass uns jemand als Spielzeug benutzt? Wie im Moment?«
»Ich weiß es nicht. Ich glaube, dass die Sache hier sehr viel ernster ist. Aber ich bin überzeugt, dass wir es bekämpfen müssen, egal, was immer es auch ist.«
Sie berührte meine Hand. »Genau das mag ich an dir, John. Du bist immer bereit zu kämpfen.«
Wir stiegen wieder in den Wagen und ich fuhr mit quietschenden Reifen vom Parkplatz. Wir rasten mit 100 weiter
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