Das Atmen der Bestie (German Edition)
mit seinem Daumen eines ihrer Augenlider und prüfte ihren Puls. Während er das tat, stand sie still und passiv da. Sie runzelte nur schwach die Stirn, ihre Augen starrten in irgendeine persönliche Ferne, von der ich keine Ahnung hatte.
»Ist sie in Ordnung?«, fragte ich. »Sie kommt mir vor, als ob sie unter einem Schock leidet.«
»Es könnte ein Schock sein«, antwortete Jim. »Andererseits könnte es aber auch eine Art Hypnose oder Trance sein.«
»Meinst du, Coyote ...?«
»John, ich weiß nicht, was ich annehmen soll. Aber wichtig ist nur, dass sie in Sicherheit ist. Setzen wir sie in den Wagen und fahren in die Pilarcitos Street. Dann kann unser indianischer Freund hier das tun, was er tun muss, um Coyote aus dem Haus zu halten, und danach können wir Jane mit zurück ins Krankenhaus nehmen.«
George Thousand Names steckte den Kopf aus dem Wagenfenster. »Dauert es noch lange?«, fragte er mich. »Je schneller wir bei dem Haus sind, desto besser. Wenn Coyote es schon erreicht hat, dann haben wir keine Chance mehr.«
Jim und ich halfen Jane auf den Rücksitz des Wagens und fuhren weiter.
Als wir die kurvenreiche Straße hochfuhren, sah das Haus 1551 ebenso dunkel und düster wie bisher aus. Die Fenster ähnelten müden Augen und der schlechte Anstrich schien noch mehr abgeblättert zu sein. Jim fuhr langsam näher. Als wir vor dem Haus ankamen, stellte er den Motor ab und eine Minute lang blieben wir schweigend sitzen.
»Glauben Sie, dass Coyote drin ist?«, fragte ich mit unsicherer Stimme.
»Das kann man unmöglich sagen«, antwortete George Thousand Names. »Falls er da drin ist, dann werden wir es bald merken.«
»Wie?«
»Er wird uns töten.«
Jim wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Aber möglicherweise kann er auch nicht da sein, stimmt’s? Er kann noch immer auf der Suche nach Seymour Wallis’ Blut sein!«
»Natürlich.«
Ich sah Jim an und Jim sah mich an; »Tja«, meinte ich kleinlaut. »Wenn wir hier sitzen bleiben, passiert nichts.«
Wir stiegen aus dem Wagen und gingen herum, um George Thousand Names zu helfen. Jane blieb, wo sie war, still und wahrscheinlich unter einem Schock stehend. Wir drei überquerten den Bürgersteig und blieben vor dem Durchgang zu Haus 1551 stehen, schauten zu den dämmrigen Fenstern, unter denen die Farbe abblätterte.
»Ist der Türklopfer noch da?«, fragte George Thousand Names. »Ich kann es ohne meine Brille von hier aus nicht erkennen.«
Jim und ich spähten in die Schatten. Zunächst dachte ich, dass er verschwunden sei, aber dann sah ich den dunklen Glanz von Bronze und wusste, dass sich Coyote noch auf der Hatz nach seinem Blut befand. Für den Augenblick waren wir in Sicherheit.
Wir öffneten das quietschende Tor und stiegen die Stufen hoch. George Thousand Names stand einen Moment vor dem grinsenden Gesicht auf dem Türklopfer, bis er langsam den Kopf schüttelte: »Wäre ein Indianer an diesem Haus vorbeigekommen und hätte das Gesicht gesehen, er hätte sofort gewusst, um was es sich handelt«, sagte er ruhig. »Es ist genauso provozierend, als hinge das Bild eines Dämons an Ihrer Tür. Jetzt wollen wir aber dafür sorgen, dass Coyote es nie benutzen kann.«
Er griff in eine Tasche seiner Windjacke und zog ein Amulett hervor. Es war ein schmales, goldenes Medaillon mit einem seltsamen, eingekratzten Zeichen. Er hielt es einen Augenblick in den Fingern seiner beiden Hände, anschließend berührte er damit seine Stirn. Dann trat er dicht an den Türklopfer heran und hob die Hand.
»Unerträglicher Coyote, du Teuflischer aus dem Südwesten«, murmelte er. »Dieses Abbild ist für immer durch meine Beschwörung gebunden, für immer vor dir verschlossen. Dieses Abbild wird dich verbrennen, dieses Abbild wird dich erfrieren lassen, dieses Abbild wird dir mit der Kraft der Winde des Nordens entgegenblasen. Du kannst dieses Abbild niemals berühren, dieses Abbild niemals benutzen, ohne dass der Zorn des Großen Geistes für immer über dich kommt.«
Nun herrschte Stille. Ein Lastwagen dröhnte über eine entfernte Straße.
Dann, leise, hörte ich ein zischendes Geräusch. Es war, als ob jemand tief Atem holt. Jemand, der zu reden beginnt.
Eine ruhige, heimtückische Stimme sagte: »Narren.«
Ich spürte, dass ich zitterte. Ich wusste, dass es idiotisch war, derart zu zittern. Aber es war der Türklopfer, der bronzene Türklopfer, der sprach. Aus seinen wilden Augen loderte ein brutales Licht, und möglicherweise
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