Das Auge Aldurs 3 - Der Riva Kodes
Volkszugehörigkeit, und schon bald war es keine Seltenheit mehr, daß Verwaltungseinheiten aus Melcenern, Karandesern, Dalasiern und Angarakanern bestanden. Um das Jahr 4400 war die Vorherrschaft der Bürokratie absolut. In der Zwischenzeit war der Titel ›Oberbefehlshaber Angaraks‹ allmählich außer Gebrauch gekommen, in gewissem Maße wohl deshalb, weil die Bürokratie üblicherweise sämtliche Eingaben an ›Den Kaiser‹ richtete. Merkwürdigerweise scheint es keinen bestimmten Zeitpunkt gegeben zu haben, an dem der ›Kaiser von Melcene‹ zu einem ›Kaiser von Mallorea‹ geworden wäre, und ein solcher Begriff erfuhr bis zu dem katastrophalen Abenteuer im Westen, das in der Schlacht von Vo Mimbre gipfelte, nie eine offizielle Bestätigung.
Die Bekehrung der Melcener zum Glauben an Torak war bestenfalls oberflächlich. Die kultivierten Melcener nahmen auf ihre pragmatische Art die Formen der angarakanischen Gottesverehrung an, da sie es für politisch ratsam hielten, doch die Grolims vermochten nie jene kriecherische Form der Unterwerfung unter den Drachengott zu erreichen, welche die Angarakaner seit jeher ausgezeichnet hatte.
Im Jahre 4850 jedoch tauchte Torak unvermutet aus seiner äonenlangen Versenkung auf. Eine gewaltige Schockwelle durchlief ganz Mallorea, als der lebende Gott der Angarakaner, sein entstelltes Gesicht hinter der polierten Stahlmaske verborgen, vor den Toren von Mal Zeth auftauchte. Der Kaiser wurde verächtlich hinweggefegt, und Torak nahm wieder die absolute Gewalt als ›Kal‹ an – König und Gott.
Sofort wurden Boten nach Cthol Murgos, Mishrak ac Thull und Gar og Nadrak gesandt, und 4852 wurde ein Konzil in Mal Zeth abgehalten. Die Dalasier, Karandeser und Melcener waren gelähmt durch das plötzliche Auftauchen einer Gestalt, die sie für ein rein mythisches Phänomen gehalten hatten. Die Anwesenheit von Toraks Jüngern Zedar, Ctuchik und Urvon verstärkte ihren Schrecken noch. Torak war ein Gott und sprach nur, um Befehle zu erteilen. Ctuchik, Urvon und Zedar hingegen waren Menschen; sie stellten alles in Frage, überprüften und betrachteten alles mit einer Art kalter Verachtung. Sie erkannten sofort, was zu erkennen Torak merkwürdigerweise nicht imstande war – die nahezu vollständige Verweltlichung der malloreanischen Gesellschaft –, und unternahmen sofortige Schritte, um diese Situation zu bereinigen. Unvermittelt brach eine Herrschaft des Schreckens über Mallorea herein. Die Grolims waren plötzlich überall, und eine weltliche Einstellung kam in ihren Augen Ketzerei gleich. Die Menschenopfer, die nahezu in Vergessenheit geraten waren, wurden mit fanatischem Eifer wiederaufgenommen, und bald gab es kein Dorf in Mallorea mehr, das nicht seinen Altar und seine stinkende Feuergrube gehabt hätte. Mit einem einzigen Streich machten die Jünger Toraks Jahrhunderte der Regierung durch Militär und Bürokratie zunichte und kehrten zur absoluten Vorherrschaft der Grolims zurück. Bald gab es keine einzige Facette des malloreanischen Lebens mehr, die sich nicht unterwürfigst dem Willen Toraks gebeugt hätte.
Die Mobilisierung Malloreas im Zuge. der Vorbereitung auf den Krieg mit dem Westen entvölkerte praktisch den Kontinent. Die Angarakaner und die Karandeser ließ Torak schließlich nach Norden zur Landbrücke marschieren, die in den äußersten Norden Gar og Nadraks führt, und die Dalaser und Melcener marschierten nach Dal Zerba, wo Flotten gebaut wurden, um die Menschen über das Meer des Ostens ins südliche Cthol Murgos überzusetzen. Toraks Strategie war ganz simpel. Die nördlichen Malloreaner sollten sich mit den Nadrakern, den Thulls und den nördlichen Murgos vereinigen, um Drasnien und Algarien anzugreifen; die südlichen Malloreaner sollten sich mit den südlichen Murgos zusammentun, um auf Toraks Befehle zu warten und dann nach Nordwesten zu marschieren. Das Ziel bestand darin, den Westen zwischen diesen beiden gewaltigen Heeren zu zermalmen. Die fürchterliche Niederlage, welche die nördliche Heeressäule in Vo Mimbre erlitt, wurde von der weniger bekannten Katastrophe noch übertroffen, welche die südlichen Streitkräfte in der Großen Wüste von Araga im zentralen Cthol Murgos heimsuchte. Der außergewöhnliche Sturm, der im Vorfrühling des Jahres 4875 vom Großen Westmeer heranfegte, erfaßte die südlichen Murgos, die Melcener und die Dalaser in jener gewaltigen Wüste und begrub sie im wahrsten Sinne des Wortes lebendig unter dem schlimmsten
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