Das Auge Aldurs 3 - Der Riva Kodes
Müht auch er sich für das Kommen des Geliebten?« Und das Antlitz Aldurs verdunkelte sich, und er erwiderte und sprach: »Mein Bruder Torak müht sich fürwahr, doch weiß er nicht, wohin ihn dies führen wird. Ich rate euch, in Frieden zu leben mit den Kindern des Drachengottes, denn ihr lebt in Ländern, die sie besitzen werden, und sie werden über euch herrschen. Wenn ihr euch ihnen widersetzt, wird großes Leid über euch kommen. Ertragt, was sie euch antun, und faßt euch in Geduld, um weiterhin die Aufgaben zu tun, die euch aufgetragen wurden.«
Und die Seher des Westens offenbarten Aldurs Worte den Geistern der Seher, welche unter uns weilten, und wir gingen die Seher um Rat an und bedachten, wie wir die Kinder des Drachengottes am wenigsten erzürnen würden, so daß sie unsere Studien nicht unterbrachen. Am Ende kamen wir zu dem Schluß, daß die kriegerischen Kinder von Angarak am wenigsten Anstoß an einfachen Leuten nehmen würden, die im Schweiße ihres Angesichts das Feld bestellten und in primitiven Dörfern hausten. Wir rissen unsere Städte nieder und schafften die Steine hinweg, und wir begaben uns zurück aufs Land, um weder Furcht noch Neid in unseren Nachbarn zu erwecken.
Und die Jahre vergingen und wurden zu Jahrhunderten, und die Jahrhunderte gingen ins Land und wurden zu Jahrtausenden. Und wie uns vorausgesagt, kamen die Kinder des Drachengottes über uns und errichteten ihre Herrschaft. Und sie nannten die Länder, in denen wir lebten, ›Dalasien‹, und wir taten, was sie wollten, das wir tun, und setzten unsere Studien fort.
Nun begab es sich im hohen Norden ungefähr zu dieser Zeit, daß ein Jünger des Gottes Aldur mit anderen kam, um einen gewissen Gegenstand zu beanspruchen, den der Drachengott Aldur gestohlen hatte. Und diese Tat war so bedeutsam, daß sie das Ende des Zweiten und den Anbruch des Dritten Zeitalters einläutete.
Nun aber geschah es in diesem Dritten Zeitalter, daß die Priester von Angarak, welche die Menschen Grolims nennen, zu uns kamen und uns vom Drachengott und seinem Hunger nach Liebe erzählten, und wir erwogen, was sie uns gesagt hatten, wie wir alles erwogen, was die Menschen uns erzählten. Und wir zogen das Buch des Himmels zu Rate und vergewisserten uns, daß Torak die fleischgewordene göttliche Erscheinungsform eines der beiden Geister war, die im Herzen der Zeit miteinander rangen. Doch wo war der andere? Wie sollten Menschen eine Wahl treffen, wenn nur einer der beiden Geister zu ihnen kam? Wie kann ein Mensch das Gute wählen und dem Bösen abschwören, wenn er sie in keiner Weise miteinander vergleichen kann? Der Geist, welcher den Drachengott beseelte, konnte uns bei unserer Wahl nicht helfen, denn dieser Geist hielt sein Ziel für gut und konnte nicht begreifen, daß es vielleicht böse war. Und da geschah es, daß wir uns unserer schrecklichen Verantwortung bewußt wurden. Die Geister würden zu uns kommen, ein jeder zu seiner Zeit, und jeder würde behaupten, er sei gut und der andere böse. Der Mensch jedoch würde wählen. Und es gibt einige, die glauben, daß es die Wahl des Menschen sein wird, die den Ausgang von allem entscheidet. Und wir berieten uns miteinander und kamen überein, die äußerlichen Formen der Religion anzunehmen, welche die Grolims uns so aufdrängten. Das würde uns Gelegenheit geben, das Wesen des Drachengottes zu erforschen, auf daß wir besser vorbereitet wären auf die Wahl, die stattfände, wenn der andere Gott auftauchen würde. Die Formen der Gottesverehrung, welche die Grolims praktizierten, stieß uns ab, doch wir gaben dafür nicht Torak die Schuld, denn der Jünger kann die Absicht des Meisters verfälschen und in seinem Namen tun, was sein Meister nicht beabsichtigt hatte. Und so beobachteten wir, und wir warteten, und wir schwiegen.
Mit der Zeit drangen die Ereignisse der Welt zu uns vor. Die Kinder des Drachengottes, welche die Menschen Angarakaner nennen, verbündeten sich durch Heirat mit den großen Städtebauern des Ostens, die sich selbst Melcener nannten, und diese beiden errichteten ein Reich, das den ganzen Kontinent umfaßte. Nun waren die Angarakaner Tatmenschen, die Melcener aber waren Pflichterfüller. Eine getane Tat ist für immer getan, die Pflicht aber ruft uns jeden Tag aufs neue. Daher kamen die Melcener zu uns, um unter uns nach solchen Ausschau zu halten, die ihnen bei der Erfüllung ihrer endlosen Pflichten helfen würden. Und wir halfen ihnen in gewissem Umfang, verbargen jedoch
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