Das Auge Aldurs 3 - Der Riva Kodes
Kräuterkundigen und Apothekern, deren einzige Aufgabe das Destillieren, Zusammenstellen und Mischen neuer Gifte und Gegengifte ist. Ein Durchbruch bei einem dieser professionellen Giftmischer läßt sich meist an plötzlichen und häufig gräßlichen Todesfällen sämtlicher Mitglieder der gegnerischen Partei ablesen. Da alle nyissanischen Politiker infolge großer Präventivverabreichungen sämtlicher bekannten Gegengifte und einer brutalen Desensibilisierungsdiät, in deren Verlauf sie allmählich erhöhte Dosen der Gifte selbst einnehmen, in der Lage sind, unbeschadet Giftmengen aufzunehmen, die eine ganze Legion töten würden, sind die Neuentwicklungen auf dem Giftsektor von wahrhaft erschreckender Wirksamkeit.
Vordal berichtet, Königin Salmissra verfolge diese tödlichen Spiele mit repitilienhafter Erheiterung und verziehe keine Miene, wenn ihr vertrautester Berater plötzlich schwarz anlaufe, unter krampfhaften Zuckungen zu Boden falle und mit Schaum vor dem Mund wie ein tollwütiger Hund verende. Nyissanische Königinnen lernen schon ziemlich früh, keinerlei feste persönliche Bindungen einzugehen. Ihre Ausbildung wird so unerbittlich von äonenalten Traditionen, ihr Leben dermaßen von Ritualen bestimmt, daß sich jede Königin in Hinblick auf Aussehen und Persönlichkeit kaum von ihren Vorgängerinnen oder Nachfolgerinnen unterscheidet.
Zu guter Letzt war Vordal in der Lage, besagten Vertrag mit den Nyissanern abzuschließen, eine schwierige Aufgabe, da der Unterhändler, mit dem er es zu tun hatte, oft recht unvermittelt mitten in den heikelsten Verhandlungen verstarb. Der Vertrag sah eine Handelsenklave in der Nähe des Hafens von Sthiss Tor vor, und tolnedrische Kaufleute waren strikt auf diesen Bezirk beschränkt. Obwohl es gewiß nicht der beste aller abgeschlossenen Verträge ist, macht es uns der scheinbar unerschöpfliche Vorrat der Nyissaner an rotem angarakanischem Gold doch leicht, uns mit den Einschränkungen abzufinden. Darüber hinaus macht die phlegmatische Veranlagung der Nyissaner sie gleichgültig gegenüber den Vertracktheiten des Feilschens, so daß sie im allgemeinen den verlangten Preis zahlen, ohne groß zu fragen. So kommt es, daß der Handel mit dem Schlangenvolk höchst einträglich ist. Trotzdem haben nur wenige tolnedrische Kaufleute, wenn überhaupt, sich je in Sthiss Tor wohl gefühlt. Die meisten beschränken sich auf zwei oder drei Fahrten den Schlangenfluß hinauf. Die Gewinne sind enorm, doch die Nyissaner haben etwas an sich, das selbst den Habgierigsten dazu bringt, bald wieder abzureisen. Das bekannteste Ereignis in der Geschichte von Nyissa war die alornische Invasion der Jahre 4002 bis 4003, die Folge der Ermordung des rivanischen Königs Goreks des Weisen durch Nyissaner. Das Motiv für diese scheinbar sinnlose Tat ist nie ganz ergründet worden, obwohl die alornischen Könige Königin Salmissra XXXIII. vor ihrem Tod das Geheimnis zu entreißen vermochten. Die allgemeine Vermutung geht in Richtung einer Verwicklung der Angarakaner in den Plan, aber warum die Angarakaner eine solche Feindschaft gegen den Monarchen einer abgelegenen Insel hegen sollten, bleibt unklar. Darüber hinaus stellt sich die Frage, was man einer nyissanischen Königin anbieten kann, um ihre Unterstützung zu erkaufen. Was immer Salmissras Beweggründe waren, die Tat ist unzweifelhaft ihr zuzuschreiben, und die alornische Rache war schrecklich. Wie bereits dargelegt, machten die vereinten Streitkräfte der Chereker, Drasnier, Algarier und der Insel der Stürme kurzen Prozeß mit den Nyissanern. Nach ihrem Sieg vernichteten die Alorner systematisch und rücksichtslos die gesamte Nation, schleiften die Städte und brannten die Dörfer nieder. Alle Nyissaner, die ihnen in die Hände fielen, wurden erbarmungslos erschlagen. Wiederum war es nur der Dschungel, der verhinderte, daß das Schlangenvolk vollkommen ausgerottet wurde.
Die Zerstörung Nyissas durch die Alorner war mit solcher Grausamkeit erfolgt, daß über eine Zeitspanne von fünfhundert Jahren hinweg und trotz wiederholter tolnedrischer Expeditionen nichts darauf hindeutete, daß irgendwelche Nyissaner den Völkermord überlebt hatten. Erst dann begann das Schlangenvolk allmählich wieder aus dem Dschungel hervorzukommen und zögernd seine Hauptstadt Sthiss Tor wiederaufzubauen. Erstaunlicherweise hat die Königin offenbar weiterhin das nyissanische Leben beherrscht, auch wenn ihr Volk in alle Winde zerstreut worden war. Königin
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