Das Auge Aldurs 3 - Der Riva Kodes
diesem Augenblick – ein weiteres EREIGNIS von gleicher Tragweite auf der anderen Seite des Erdballs stattfand, im Aldurtal. Dort begab es sich, daß Poledra, die Wolfsfrau von Belgarath, in den Wehen lag und zwei Zwillingstöchtern das Leben schenkte und im Kindbett starb. Und die Geburt von Polgara und Beldaran und der Tod von Poledra formten die Zukunft nicht minder als die Wiedererlangung des Orb. Und als wir noch voller Staunen diese EREIGNISSE im Buch des Himmels lasen, kam eine fremde Seherin aus den Bergen oberhalb von Darshiva zu uns herunter, und sie sprach zu uns und erlegte uns die Aufgabe des Sammelns auf. Und wir streiften kreuz und quer durch die Welt und sammelten die Prophezeiungen, welche die beiden Bestimmungen, die die Welt beherrschen, in die Herzen verschiedener Menschen geflüstert hatten. Und seht, da erwuchs eine weitere Generation von Sehern, die über die Prophezeiungen nachsann und über ihre Bedeutung sprach. Und dies waren die Generationen der unbekannten Seherin, welche die Menschen die Sprecher nennen. Und wir legten den Sprechern sowohl Prophezeiungen als auch das irre Gerede von Wahnsinnigen vor, denn wir entschieden, daß uns nicht ein einziges Wort einer der beiden Bestimmungen entgehen dürfe. Und die Sprecher, die den Generationen der unbekannten Seherin angehörten, begaben sich in die Stadt Kell, die zu betreten die Priester des Gottes von Angarak sich fürchteten, und dort nahmen sie in Empfang, was wir zusammengetragen hatten. Und dort schauten wir ein Wunder, denn die Schriftstücke, welche unsere Aufzeichnungen enthielten, wurden den Stummen übergeben, welche die Seher beschützten, und die Stummen lasen die Schriftstücke. Und wenn der Seher nicht sprach, wußten wir, das Schriftstück war unecht, und der Stumme, der es gelesen hatte, überantwortete es auf der Stelle dem Feuer. Doch wenn das Schriftstück wahrhaftig eine Prophezeiung war – von welcher der beiden Bestimmungen auch immer –, pflegte der Seher zu sprechen, kaum daß der Stumme zu lesen begonnen hatte. Und daraus schlossen wir, daß die Seher sich mit dem Geist der stummen Führer verständigten und trotz der Binden vor ihren Augen nicht blind waren, sondern durch die Augen ihrer stummen Beschützer zu sehen vermochten.
Nun war es so, daß unter all dem, was wir zusammentrugen, nur sehr wenig wahre Prophezeiungen waren, und diese Prophezeiungen erzählten allesamt dieselbe Geschichte – daß eines Tages das Kind des Lichtes und das Kind der Finsternis aufeinandertreffen würden und daß sich in dieser Begegnung das Schicksal der ganzen Schöpfung entscheiden sollte. Und dies kam uns bitter an, denn davon hatten wir bereits Kunde, hatten wir doch eben diese Worte im Buch des Himmels gelesen. Doch der betagte Seher Encoron aus den Generationen der unbekannten Seherin sprach in seinen letzten Tagen, und schließlich begriffen wir die Bedeutung dessen, was nun geschah und seit Anbeginn der Zeit existiert hatte. »Abwandlungen«, sprach Encoron. »Jedes EREIGNIS ist nur eine abgewandelte Wiederholung ein und desselben EREIGNISSES, das sich unzählige Male durch alle Jahrhunderte hinweg zugetragen hat. Das Kind des Lichtes und das Kind der Finsternis werden aufeinandertreffen – wie sie bereits ungezählte Male aufeinandergetroffen sind. Und sie werden sich weiterhin in endlosen Abwandlungen dieses einen EREIGNISSES begegnen, bis bei einer dieser Begegnungen eine Wahl zwischen ihnen getroffen wird.«
»Welches ist die Wahl, Meister?« bestürmten wir ihn. »Und wer muß sie vornehmen?«
Doch er sagte nichts mehr, und sein stummer Beschützer seufzte und bettete seinen Meister zur letzten Ruhe. Dann legte auch er sich auf die Erde neben seinen Meister und starb.
Und am Beginn des Vierten Zeitalters kam die Seherin Onatel, und auch sie sprach von der Wahl. Und die Seher von den Generationen der Onatel suchten mit ihrem Geist das Herz der Prophezeiung selbst und des Geschickes zu erforschen, welches der Urquell aller Prophezeiung ist. Doch die Visionen waren dunkel und schienen keinen Sinn zu ergeben. Wir sahen Sterne durcheinanderwirbeln und ganze Welten, die von Feuer verschlungen wurden, doch niemand wußte, was solche Visionen bedeuten mochten. Und am Ende kam Dallan, ein Seher der Generationen der Onatel, und er enthüllte uns die große Wahrheit und sprach:
»Wisset, was ich geschaut habe. Das Leben eines Menschen ist nichts als ein Wimpernschlag, und das Leben eines Sterns ist nichts als ein Atemzug. Das
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