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Das Auge der Fatima

Das Auge der Fatima

Titel: Das Auge der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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vielleicht konnte er den Vorteil dieser unvorhergesehenen Wendung nur noch nicht erkennen.
    »Herr, was gibt es?«, fragte der eine der Soldaten, ein hoch gewachsener Kerl mit einer breiten, schiefen Nase - ein sicheres Zeugnis ungezählter Schlägereien. Trotzdem machte er einen aufgeweckteren Eindruck als sein Kamerad, der Hassan mit einem stumpfsinnigen Gesichtsausdruck anstarrte. »Man hat uns hierher geschickt, weil unsere Hilfe gebraucht wird.«
    »Ja, ihr kommt gerade recht«, sagte Hassan und biss dabei die Zähne zusammen. Natürlich hatte einer der Brüder die Soldaten zu ihm geschickt. So hatten sie es schließlich verabredet. Aber warum gerade jetzt? Warum konnte er nicht erst ... Doch da kam ihm ein Gedanke. Jetzt, mit den beiden Soldaten als Augenzeugen, würde nichts und niemand in Gazna seine Geschichte anzweifeln. Alles würde noch viel glaubwürdiger wirken. Die beiden hätten zu keinem besseren Zeitpunkt auftauchen können. Er musste sich Mühe geben, seinen Triumph nicht zu deutlich zu zeigen. Und so machte er ein finsteres Gesicht und deutete auf den Gefangenen. »Dieser Kerl - verflucht sei sein Name und alle seine Nachkommen! - ist aus dem Kerker entwichen. Doch zum Glück - gepriesen sei Allah! - blieb seine Flucht nicht lange unbemerkt. Es gelang mir, ihm bis zu diesem Haus zu folgen. Hier habe ich ihn schließlich auf frischer Tat bei dem schlimmsten Frevel ertappt, mit dem sich ein Mann besudeln kann. Überzeugt euch selbst!« Er hielt eines der Pergamente hoch, sodass die
    Soldaten das Bild sehen konnten. »Dieser Lump hat es gewagt, Allah, den Schöpfer des Himmels und der Erde, zu verhöhnen, indem er das Bildnis eines Mannes angefertigt hat.«
    Die beiden Soldaten schrien erschrocken auf und wichen zurück bis zur Wand.
    »Was ... was sollen wir mit ihm machen, Herr?«, fragte der größere von ihnen schließlich mit zitternder Stimme. »Sollen wir ihn in den Kerker zurückbringen und morgen dem Henker übergeben?«
    »Nein«, antwortete Hassan, »das wäre viel zu gefährlich. Wir können nicht einmal bis zum Morgengebet warten. Wahrscheinlich steht er mit allen Dämonen der Hölle im Bunde. Wenn wir auch nur eine Stunde zögern, werden diese grässlichen Kreaturen die Chance nutzen und ihn abermals befreien. Nein, wir dürfen keine Zeit verlieren. Wir werden diesen Sohn der Hölle hier auf der Stelle richten.«
    Er wandte sich wieder dem Gefangenen zu und packte zum dritten Mal in dieser Nacht den Griff seines Säbels. Nur beiläufig registrierte er, dass der Gefangene ihm dabei in die Augen sah, seine Hände aneinander legte und sie dann zum Himmel hin öffnete wie ein Mann, der ein Gebet sprach. Ein Gebet zu den Dienern der Hölle. Es würde sein letztes sein. Hassan holte aus. Die Klinge zuckte durch die Luft, ein kurzes metallisches Blitzen im Licht der Öllampen. Sie sang ein kurzes kraftvolles Lied des Triumphes. Dann war es auch schon vorbei.
    Hassan atmete langsam und ruhig aus und schloss die Augen.
    Gepriesen sei Allah! Gelobt sei Sein Name! Es ist vollbracht. Endlich. Nach all den Jahren ...
    Als er die Augen wieder öffnete, stellte er überrascht fest, dass sich die beiden Soldaten an die Wand pressten wie zwei verängstigte Jungen bei einem Erdbeben. Regungslos starrten sie auf den Toten zu ihren Füßen. Keiner von ihnen rührte auch nur einen Finger, keiner von ihnen machte Anstalten, ihre Aufgabe zu erfüllen und den Leichnam wegzuschaffen.
    »Dummköpfe!«, fuhr Hassan die beiden ärgerlich an. »Was steht ihr hier herum und starrt ihn an, als könnte eine giftige Schlange oder ein Dämon aus seinem geöffneten Hals hervorkriechen? Der Kerl hat seine gerechte Strafe erhalten. Und es ist gut, dass wir es hier getan haben. Wer weiß, welches Unheil er sonst noch angerichtet hätte.«
    »Ja, Herr, gewiss habt Ihr Recht«, sagte der große Soldat und fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. Der andere war nicht einmal mehr dazu fähig. Schweiß perlte auf seiner Oberlippe, und seine Augen waren weit aufgerissen, als hätte ein Fluch ihn zu Stein verwandelt. »Aber dieser ... dieser ...«
    »Aber was?«, brüllte Hassan. »Schafft ihn endlich fort!«
    »Aber wie, Herr, wie sollen wir ...«
    »Ihr Trottel. Muss ich euch denn alles sagen? Einer nimmt den Körper, der andere ...«
    »Aber Herr, seht doch nur. Sein Gesicht! Seht doch sein Gesicht!«
    Hassan verdrehte die Augen. Weshalb mussten ihm die Brüder in dieser Nacht ausgerechnet die stumpfsinnigsten Soldaten

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