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Das Auge der Fatima

Das Auge der Fatima

Titel: Das Auge der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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Buchara. Der einzige Mensch, der von alldem unberührt zu bleiben schien, war die Braut selbst. Schön wie eine Prinzessin aus einem Märchen saß Yasmina neben ihrem frisch angetrauten Gemahl inmitten von Rosenknospen auf einem Polster unter einem reich bestickten Baldachin und sah ernst, fast sogar traurig dem munteren Treiben zu. Doch niemand außer Beatrice schien es zu bemerken. Jeder feierte, aß und trank und wünschte dem frisch vermählten Paar das Allerbeste. Maleks Brüder sangen Spottlieder auf ihn, und das fröhliche, farbenfrohe Spektakel dauerte bis weit in die Nacht hinein.
    Beatrice hatte den Eindruck, sich gerade erst ins Bett gelegt zu haben, als es auch schon wieder an ihrer Tür klopfte. Jemand trat ein, ohne dass sie die Erlaubnis dafür erteilt hätte. Unwillig drehte sie sich im Bett um und zog verärgert ihre Decke hoch bis zum Kinn. Sie wollte noch nicht aufstehen, sie wollte noch kein Frühstück haben. Es war noch mitten in der Nacht, und außerdem ...
    Jemand rüttelte heftig an ihrem Arm.
    »Beatrice! Beatrice! Wach auf, ich muss dir etwas sagen!«
    Das war doch Yasminas Stimme? Nur widerwillig öffnete Beatrice die Augen. Gleißendes Licht fiel durch das Fenster und blendete sie.
    »Yasmina!«, stöhnte sie und zog sich das Kissen über den Kopf. Obwohl sie keinen Tropfen Alkohol getrunken hatte - schließlich handelte es sich um eine muslimische Hochzeit -, fühlte sie sich, als hätte sie einen Kater. »Bitte nicht. Es ist doch noch so früh. Ich möchte noch schlafen.«
    »Aber Beatrice«, rief Yasmina und schüttelte sie erneut, »es ist wichtig! Ich muss mit dir sprechen. Ich habe etwas herausgefunden. Über deine Tochter. Stell dir vor, sie war hier!«
    Von einer Sekunde zur nächsten war Beatrice hellwach. Sie setzte sich auf und packte Yasminas Arm, als könnte sie sich jeden Moment in Luft auflösen, wenn sie nicht festgehalten wurde.
    »Was hast du eben gesagt?«, fragte sie nach, vorsichtshalber, ehe sie sich zu große Hoffnungen machte. Vielleicht hatte sie sich ja doch verhört.
    »Deine Tochter war hier. Hier bei uns in der Oase. Sie war ...«
    »Dann muss ich zu ihr, sofort«, sagte Beatrice. »Wo ist sie?« Sie warf die Decke zur Seite und wollte aufstehen, doch Yasmina hielt sie zurück.
    »Warte, Beatrice, nicht so schnell. Ich sagte doch, sie war hier. Allerdings hat sie Qum bereits vor einiger Zeit wieder verlassen.«
    Beatrice sank in die Kissen zurück.
    »Wie hast du das herausgefunden?«
    Yasmina zuckte mit den Schultern. »Ich habe einfach herumgefragt. Du hast so viel für mich getan, dass ich dir auch einen Gefallen tun wollte. Die alte Fatma hat es mir schließlich erzählt. Es ist etwa zwei Monate her. Ein Reiter kam auf seinem Weg durch die Wüste in die Oase. Er war gekleidet wie ein Nomade und hatte ein kleines Kind bei sich, ein Mädchen, etwa vier Jahre alt mit goldenem Haar und leuchtend blauen Augen. Die Alte erinnert sich deshalb noch so genau daran, weil sie es für ein gutes Omen hielt. Sie hat die beiden in ihrem Haus aufgenommen. Sie blieben allerdings nur eine Nacht. Bereits am folgenden Morgen sind sie weitergezogen.«
    Beatrices Mund wurde trocken vor lauter Aufregung. Ein Nomade? Wer konnte das gewesen sein? Ob Ali sich verkleidet hatte, um nicht als Arzt aufzufallen?
    »Und? Hat der Mann gesagt, wo er hinwollte? Oder hat er seinen Namen genannt?«
    Yasmina schüttelte den Kopf. »Nein. Fatma sagte, er sei sehr schweigsam gewesen. Sie hatte den Eindruck, dass er und das Mädchen verfolgt würden und sie in großer Gefahr schwebten.« Beatrice wurde bleich, und Yasmina fuhr schnell fort: »Aber ich an deiner Stelle würde nicht so viel auf das Geschwätz der Alten geben. Vermutlich will sie sich damit nur wichtig tun. Fatma schmückt die Wahrheit gern aus, um sie spannender zu machen. Sie konnte mir nur sagen, in welcher Richtung die beiden Qum am nächsten Morgen wieder verlassen hatten. Sie ritten nach Nordwesten.«
    Beatrice nickte entschlossen. »Gut, dann werde ich auch nach Nordwesten reiten. Und zwar noch heute. Ich brauche ein Pferd und ...«
    Doch Yasmina schüttelte bedächtig den Kopf.
    »Tu das nicht, Beatrice. Du würdest nur Kraft und Zeit vergeuden und dich in unnötige Gefahr begeben. Überall lauern Räuberbanden und Sklavenhändler. Natürlich könnte der Mann wirklich nach Nordwesten geritten sein. Dort liegt die Stadt Qazwin. Doch sollte Fatma Recht haben, sollte er mit deiner Tochter tatsächlich auf der Flucht gewesen

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