Das Auge des Leoparden
sein Zimmer schaffen wird.
Vor dem Aufzug bemerkt er erstaunt, daß die Frau, die ihm eben noch ihre Gesellschaft angeboten hat, das Hotel nun in Begleitung des aufgedunsenen Mannes im Khakianzug verläßt, der behauptet hatte, die Prostituierten in diesem Hotel seien nicht gut.
Im Aufzug macht er sich in die Hose, ein füchterlicher Gestank verbreitet sich, und der Darminhalt läuft ihm die Beine hinab. Aufreizend langsam hebt der Aufzug ihn in sein Stockwerk. Während er durch den Hotelflur stolpert, hört er hinter einer verschlossenen Tür einen Mann lachen.
Im Badezimmer sieht er sich die Bescherung an, legt sich dann ins Bett und denkt, daß der Auftrag, den er sich selbst erteilt hat, entweder nicht durchführbar oder aber sinnlos ist. Was hat er sich eigentlich vorgestellt?
In seinem Portemonnaie verwahrt er die ungenaue Adresse einer Missionsstation am Oberlauf des Kafue. Er hat keine Ahnung, wie er dorthin gelangen soll, hat aber wenigstens vor seiner Abreise noch herausgefunden, daß Züge in den Copperbelt gehen.
Aber dann? 270 Kilometer querfeldein durch eine unwegsame, knochentrockene Landschaft?
In der Stadtbücherei daheim hat er sich über das Land informiert, in dem er sich nun aufhält. Große Teile des Landes sind während der Regenzeit unpassierbar. Aber wann beginnt die Regenzeit?
Ich bin wie üblich schlecht gerüstet, denkt er. Meine Vorbereitungen waren oberflächlich, der Koffer wurde in Windeseile gepackt. Erst jetzt, da es zu spät ist, versuche ich einen Plan auszuarbeiten.
Ich wollte die Missionsstation besuchen, die Janine niemals sehen durfte, die sie nicht erreichte, ehe sie starb. Ich habe ihren Traum übernommen, statt einen eigenen zu entwickeln.
Hans Olofson schlummert ein, schläft unruhig und steht im Morgengrauen auf. Von seinem Hotelfenster aus sieht er die Sonne wie einen gewaltigen Feuerball am Horizont aufsteigen. Auf der Straße bewegen sich schwarze Schatten. Der Duft der Jakarandabäume vermischt sich mit dem schweren Rauch der Holzkohlefeuer. Frauen mit unförmigen Lasten auf den Köpfen und mit Kindern, die sie sich auf den Rücken gebunden haben, sind unterwegs zu Zielen, die er nicht kennt.
Ohne es ausdrücklich zu beschließen, reift in ihm der Entschluß, nach Mutshatsha weiterzureisen, zu dem Ziel, das Janine nie erreicht hat …
A LS HANS OLOFSON an diesem kalten Wintermorgen aufwacht und seinen Vater mit dem Oberkörper auf dem Küchentisch liegen sieht, endlich schlafend nach dem langen nächtlichen Kampf gegen unsichtbare Dämonen, weiß er, daß er nicht ganz allein ist. Er hat einen Vertrauten, einen Knappen, mit dem er der Nasenlosen aus Ulvkälla, einer Ansammlung von Baracken am südlichen Flußufer, das Leben zur Hölle macht. Mit ihm zusammen sucht er das Abenteuer, das es selbst an diesem gottverlassenen Ort geben muß.
Das Holzhaus, in dem Hans Olofson wohnt, hat einen mächtigen Nachbarn. Umzäunt von steinernen Pfeilern und ständig frisch poliertem Stahldraht, liegt nebenan das Gerichtsgebäude. Ein weißes Haus mit Terrasse, Säulengang und breiten Doppeltüren. Im Erdgeschoß ist der Gerichtssaal untergebracht, die obere Etage bewohnt der Richter.
Nach dem Tod von Richter Turesson steht das Haus mehr als ein Jahr lang leer.
Eines Tages rollt dann ein vollbeladener Chevrolet auf den Hof vor dem Gerichtsgebäude, und das ganze Städtchen blinzelt erwartungsvoll hinter Gardinen hervor.
Aus dem glänzenden Auto steigt die Familie des neuen Richters.
Eines der Kinder, die auf dem Hof herumlaufen, heißt Sture und wird Hans Olofsons Freund.
Eines Nachmittags, als Hans Olofson ziellos am Flußufer umherstreift, sitzt auf einem seiner Lieblingssteine, von dem aus man die Brücke und das südliche Flußufer überblicken kann, ein fremder Junge. Hans Olofson versteckt sich hinter einem Strauch und beobachtet den Eindringling, der offensichtlich angelt.
Er entdeckt, daß es der Sohn des neuen Richters ist. Selbstzufrieden bringt er ihm größtmögliche Verachtung entgegen. Nur ein Idiot oder Zugezogener kann auf die Idee kommen, in dieser Jahreszeit im Fluß zu angeln.
Von Croona. So heißt die Familie. Er hat gehört, es sei der Name eines Adelsgeschlechts. Ein Geschlecht, ein Name. Kein gewöhnliches Olofson. Der neue Richter hat Vorfahren, deren Spuren sich im Nebel historischer Schlachtfelder verlieren.
Hans Olofson beschließt deshalb, daß der angelnde Richterssohn ein wirklich unangenehmer Zeitgenosse sein muß, verläßt die
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