Das Auge des Leoparden
die in muffigen Wohnungen schlafen und in einem glücklichen, jedoch leider nie wiederkehrenden Moment werden sie Zeuge der Leidenschaft zwischen einem Eisenbahnarbeiter und einer Schuhverkäuferin.
Sie sind die Herrscher der leeren Straßen und Höfe.
In einer Julinacht begehen sie einen rituellen Einbruch. Sie dringen in das Fahrradgeschäft neben der Apotheke ein und stellen ein paar Fahrräder im Schaufenster um. Anschließend verlassen die das Geschäft wieder, ohne etwas mitgehen zu lassen. Der Einbruch an sich reizt sie, die Aussicht, ein alle verblüffendes Rätsel zu schaffen. Fahrradhändler Wiberg wird nie erfahren, was passiert ist.
Aber natürlich stehlen sie auch. Aus einem unverschlossenen Auto vor dem Stadthotel entwenden sie eines Nachts eine ungeöffnete Flasche Schnaps und trinken sich, auf den Steinen am Flußufer sitzend, ihren ersten Rausch an.
Sie folgen sich gegenseitig, der eine ist der Anführer des anderen. Niemals gibt es Streit.
Doch alle Geheimnisse teilen sie nicht.
Immer wieder empfindet Hans Olofson es als demütigend, daß Sture so viel Geld hat. Als das Gefühl der eigenen Unterlegenheit übermächtig zu werden droht, rettet sich Hans Olofson in die Ausrede, daß sein Vater ein Versager ist, dem es an der nötigen Cleverness fehlt, für ein ordentliches Einkommen zu sorgen.
In Stures Augen stellt sich das Geheimnis genau umgekehrt dar. In Hans Olofson sieht er einen tauglichen Knappen, doch er ist auch froh, nicht er sein zu müssen.
Ahnen sie, daß ihre Freundschaft zum Scheitern verurteilt ist? Wie weit können die Gemeinsamkeiten strapaziert werden, ehe es zum Bruch kommt? Der Abgrund ist da, beide ahnen seine Nähe, doch keiner will die Katastrophe heraufbeschwören.
Ein Zug von Bösartigkeit wird zu einem Bestandteil ihrer Freundschaft. Woher er kommt, wissen sie nicht, aber plötzlich ist er da. Ihre düsteren Waffen erheben sie gegen die Nasenlose in Ulvkälla.
Diese Frau, die keine Nase mehr hat, ist als Jugendliche an einem Drüsenfieber erkrankt, das eine Nasenoperation erforderlich machte. Der damals im Krankenhaus operierende Arzt Stierna erwischt einen schlechten Tag, und die Nase kommt unter seinem Messer und seinen ungeschickten Fingern gänzlich abhanden, so daß die junge Frau mit einem Loch zwischen den Augen heimkehren muß. Sie ist siebzehn und versucht zweimal, sich zu ertränken, wird aber beide Male an Land getrieben. Sie lebt allein mit ihrer Mutter, einer Näherin, die binnen eines Jahres nach der katastrophalen Operation stirbt.
Hätte sich nicht der pietistische Prediger Harry Persson, von allen nur Hurra-Pelle genannt, ihrer erbarmt, wäre es ihr mit Sicherheit irgendwann gelungen, ihrem Leben ein Ende zu machen. Aber Hurra-Pelle schleifte sie zu den Holzbänken in der Baptistenkirche, die gegenüber der beiden berüchtigtsten Sündenpfuhle der Stadt steht: der Kneipe und dem Gewerkschaftshaus. In der Kirche wurde sie in eine Gemeinschaft aufgenommen, an deren Existenz sie nicht mehr geglaubt hatte. In der Gemeinde gab es zwei ältere Schwestern, die sich von der Nasenlosen mit ihrem Loch zwischen den Augen, in das sie ein Taschentuch stopfte, nicht abschrecken ließen. Sie hatten viele Jahre als Missionare in Afrika verbracht, die meiste Zeit im belgischen Kongo, und dort wesentlich Schlimmeres gesehen als eine verschwundene Nase. Sie brachten Erinnerungen an verfaulende Leprakörper und die grotesk angeschwollenen Hodensäcke der an Elefantiasis Erkrankten mit nach Hause. Für sie war die Nasenlose eine dankbar angenommene Erinnerung daran, daß christliche Barmherzigkeit auch in einem so gottlosen Land wie Schweden Wunderwerke bewirken kann.
Hurra-Pelle schickte die Nasenlose mit Gemeindeblättern von Haus zu Haus, und niemand weigerte sich, ihr die Schriften abzukaufen. In kürzester Zeit entwickelte sie sich zu einer wahren Goldgrube für Hurra-Pelle, und schon nach einem halben Jahr konnte er es sich leisten, seinen rostigen Vauxhall gegen einen nagelneuen Ford einzutauschen.
Die Nasenlose wohnte in einem etwas abseits gelegenen Haus in Ulvkälla, und eines Nachts standen Sture und Hans Olofson vor ihren unbeleuchteten Fenstern. Sie lauschten in die Stille hinein, ehe sie sich über die Brücke auf den Rückweg machten.
In der folgenden Nacht kamen sie wieder und nagelten eine tote Ratte an ihre Haustür. Die entstellte Frau verlockte die beiden dazu, sie zu peinigen.
In den Sommerwochen kippten sie eines Nachts einen ausgegrabenen
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