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Das Auge des Nachtfalters: Mystery-Roman (German Edition)

Das Auge des Nachtfalters: Mystery-Roman (German Edition)

Titel: Das Auge des Nachtfalters: Mystery-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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lacht, hätte ich bestimmt gewonnen. Mir war überhaupt nicht nach Lachen zumute. Aber auch der Falter blieb stumm, ein dunkles Dreieck auf der weißen Fläche. Ich hörte das Blut in meinen Ohren rauschen. Schließlich platzierte ich mein Kissen am Fußende. Am liebsten hätte ich unter dem Bett geschlafen, aber was wusste ich denn, was da noch alles krabbelte?

Der Herr der Motten

    „Hast du gut geschlafen?“ Sabine spähte nur kurz über den Rand ihrer Zeitung zu mir herüber. Sie sah recht tüchtig aus, genauso, wie ich mir die Assistentin eines Millionärs vorgestellt hatte, nur etwas jünger. Ich schätzte sie auf etwa Mitte dreißig. Mit den glatten dunkelbraunen Haaren und dem streng geschnittenen Pony hätte auch der Name Ida zu ihr gepasst. Bestimmt fürchtete sie sich nicht vor kleinen Tieren, egal, wie viele echte oder falsche Augen diese hatten.
    „In meinem Zimmer sind mindestens tausend Motten.“ Ich wollte zwar nur ungern als ängstliches kleines Mädchen dastehen, das auf den Tisch kletterte, sobald eine Maus oder ein Käfer vorbeispazierten, aber gegen diese Plage musste definitiv etwas unternommen werden.
    „Oh“, meinte sie leichthin und nippte an ihrer Kaffeetasse, „das kommt in diesem Haus öfter vor. Wir hatten sogar schon mal einen Kammerjäger da, aber das hat nichts gebracht. Nicht mal Mottenkugeln helfen. Hier sind offenbar alle Tiere immun gegen so was.“
    Ich ließ mich in einen der Korbsessel sinken und versuchte vergeblich, meine Tasche über die Lehne zu hängen. Sie rutschte einfach immer runter, deshalb schlang ich den langen Gurt um mein Knie. „Sind die alle für mich?“ Vor mir stand ein ganzer Korb duftender Brötchen, Croissants und Marzipanhörnchen.
    „Iss, wie viel du schaffst. Den Rest teilt sich das Personal.“ Es war ziemlich klar, dass sie sich nicht dazu zählte. Noch vor ihrer nächsten Äußerung hatte ich entschieden, dass ich sie nicht mochte. „Mit schwarz verbranntem Gebäck kann ich leider nicht dienen.“
    Ich hasste diese Anspielungen.
    „Es muss nicht alles schwarz sein“, sagte ich liebenswürdig. „Und ich trinke übrigens kein Blut, auch wenn manche Leute denken, ich würde mich als Vampirbraut verkleiden. Am liebsten esse ich Erdbeeren. Ich schlafe nicht auf Friedhöfen und ich glaube nicht an Geister, obwohl meine Oma behauptet, sie hätte mal einen gesehen. Ich habe keine Ratte und ich mag keine Spinnen oder Krabbelviecher. Ich bin kein Punk, kein Goth, kein Emo, kein gar nichts. Ich trage einfach nur gerne Schwarz.“
    Das über meine Oma hätte ich lieber nicht sagen sollen - Onkel Vincent hatte es bestimmt nicht gern, wenn die Angestellten über die Schrullen seiner Mutter Bescheid wussten.
    Doch auf dieses Detail ging Sabine zum Glück nicht ein. „Ich werde Inga sagen, dass sie mit dem Staubwedel nochmal durch alle Ecken gehen soll“, meinte sie in einem Tonfall, der gleich dafür sorgte, dass ich mich gehörig schämte.
    Also hatte ich doch wie ein hysterisches kleines Mädchen geklungen. Verlegen stopfte ich ein Croissant in mich hinein, verschluckte mich und spülte hastig mit Orangensaft nach. Trotzdem landeten ein paar Krümel auf dem Tisch. Sabine betrachtete mich, als sei ich ebenfalls ein lästiges Insekt, für das sie am liebsten eine Fliegenklatsche benutzt hätte.
    „Tschuldigung“, murmelte ich, sobald ich wieder in der Lage war zu sprechen.
    „Das macht doch nichts“, säuselte sie.
    Nein, ich konnte sie definitiv nicht ausstehen. Eigentlich war sie so, wie ich mir Onkel Vincent vorgestellt hatte: kalt und arrogant.
    Hastig aß ich auf und ging so schnell wie möglich in mein Zimmer zurück. Im Flur traf ich auf eine fremde Frau, die mit Staubsaugen beschäftigt war. Das musste Inga sein, auch wenn „Paula“ besser zu ihr gepasst hätte. Auch von ihr wurde ich abgeschätzt, aber ihr schien zu gefallen, was sie sah, denn ihr „Guten Morgen“ wirkte echt und herzlich.
    „Ich habe dein Bett schon gemacht“, sagte sie, „und diese dicke Motte nach draußen gescheucht. Es bringt Unglück, sie zu töten. Sie kommen zwar zurück, aber dann jage ich sie eben wieder raus. Sag einfach Bescheid, wenn es so viele sind, dass sie dich stören.“
    „Oh danke“, meinte ich erleichtert. „Das muss man hier wohl öfter machen, was?“
    „Die Viecher kommen aus den Gebäuden da hinten im Wald“, erklärte Inga. „Aus den alten Schuppen und Lagerhäusern. Da ist eine ganze Brutstätte, und irgendwie finden sie immer den

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