Das befreite Wort
aber so augenfällig den kommerziellen Beratungszielen der Agentur, dass sie sofort unter den Verdacht der Parteilichkeit gerät, was wiederum Zweifel daran nährt, ob dieses Ergebnis nach den strengen Maßstäben exakter Wissenschaft zustande kam.
Ähnliches gilt für die Erkenntnis, dass ein »markengleicher Vorstandsvorsitzender an der Spitze einer Unternehmensmarke« nur »allzu positiv« für die Entwicklung der Gesellschaft sein könne. 6
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Pech nur, wenn dann das Marken-Dasein der in solchen Arbeiten als Beispiel genannten CEOs gar nicht mehr allzu lange währt. Gerhard Schmid, Ron Sommer, Jürgen Schrempp, Rolf E. Breuer, Ulrich Schumacher: Sie alle haben sich im Nachhinein nicht gerade als positive Wettbewerbsfaktoren entpuppt. Im Gegenteil, viele der einst für ihre Positionierung hoch gelobten CEOs haben sich bald darauf aus ihren Vorstandspositionen verabschiedet. Und auch dem rasanten Aufstieg des »gebrandeten« Wirtschafts- und Verteidigungsministers Baron zu Guttenberg folgte ein relativ schneller Fall. 7
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Aber ob nun »Wertvernichter« oder »Wertvermehrer« – eines jedenfalls ist die Person an der Spitze einer Organisation in aller Regel nicht: wertneutral oder gar wirkungslos. Man erinnere sich nur an die medialen Patzer der Deutsche-Bank-Chefs: die »Peanuts« des damaligen Vorstandsvorsitzenden Hilmar Kopper und das Victory-Zeichen von Josef Ackermann unmittelbar vor Beginn des Mannesmann-Prozesses, in dem er wegen Untreue angeklagt war. Beide »Kleinigkeiten« fügten dem Ansehen von Person und Institution beträchtlichen und auch nachhaltigen Schaden zu. Und als der bis dahin amtierende Vorstandsvorsitzende von DaimlerChrysler, Jürgen Schrempp, bei einer Pressekonferenz am 28. Juli 2005 seinen bevorstehenden Rücktritt bekannt gab, kletterte der Börsenkurs des Stuttgarter Konzerns um fast neun Prozent. Der Wert des Unternehmens stieg allein innerhalb der nächsten beiden Jahre um das Doppelte. 8
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Diese und viele andere Beispiele 9
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zeigen: Öffentliche Präsentation, Selbstdarstellung, Positionierung und Redeauftritte haben einen erheblichen und direkten Einfluss auf das Ansehen der öffentlich in Erscheinung tretenden Personen und der Unternehmen, die sie vertreten. Und dieser Einfluss ist für den aufmerksamen Beobachter nachvollziehbar, ohne dass man dafür in »wissenschaftlichen« Untersuchungen quantitative Belege sammeln müsste. Vieles spricht dafür, dass solche Belege vor allem von Kommunikationsverantwortlichen gebraucht werden, wenn es darum geht, ihre Chefs von der vermeintlichen oder tatsächlichen Notwendigkeit der eigenen Kommunikationsarbeit zu überzeugen. »Wissenschaftliche« Erkenntnisse, »objektive« Argumente also, leisten dann natürlich gute Überzeugungsdienste – insbesondere in wirtschaftlich und naturwissenschaftlich geprägten Zusammenhängen.
Genau das aber ist andererseits ein wichtiger Teil des Problems: Wer sich im Hinblick auf die eigene Person zu einer aktiven Kommunikationspolitik entschließt, dies jedoch nicht aus persönlicher Überzeugung, sondern »nur« aus objektiver Notwendigkeit tut, legt damit schon den ersten Stolperstein auf den Weg, der zum Kommunikationserfolg führen soll. Entscheidend dafür nämlich ist nicht, ob die aktive öffentliche Positionierung einer Person – etwa durch ihre Redeauftritte – beweisbar sinnvoll ist (wahrscheinlich ist sie das). Entscheidend ist, ob die Person dies will. Es gibt auch Beispiele für erfolgreiche Unternehmensführung, die bewusst auf den Einsatz der üblichen Kommunikationsmethoden verzichtet – man denke nur an die Albrecht-Brüder und ihren andauernden wirtschaftlichen Erfolg mit der Lebensmittelkette ALDI. Ihre Zurückhaltung gegenüber der Öffentlichkeit und den Medien ist legendär. Als am 24. Juli 2010 der jüngere der beiden Großhändler verstarb, lag den meisten Redaktionen des Landes lediglich eine Schwarz-Weiß-Fotografie aus den Siebzigerjahren vor. Es zeigte eine im Wortsinne »blasse« Figur, die kaum jemand mit deren realer Erscheinung hätte identifizieren können. Theo Albrecht trat nicht nur nicht in der Öffentlichkeit auf, er hielt auch keine Reden. Selbst über interne Ansprachen an die Mitarbeiter ist nichts bekannt. Den finanziellen Aufwand, der mit solchem Kommunikationsgeschehen verbunden gewesen wäre, sparten sich Karl und Theo Albrecht ebenso konsequent wie alles andere, was nicht unmittelbar und direkt dem
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