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Das Begräbnis des Monsieur Bouvet

Das Begräbnis des Monsieur Bouvet

Titel: Das Begräbnis des Monsieur Bouvet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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der Mundwinkel.
    Und auch seine Haut war immer so weiß gewesen, wie das elfenbeinerne Weiß teuren Papiers.
    Ein Taxi hielt, und ohne auszusteigen schaute der Fahrer zu. Drei, vier Leute, von denen man nicht wußte, woher sie gekommen waren, standen um den leblosen Körper herum.
    »Direkt gegenüber ist eine Apotheke.«
    »Nehmen Sie ihn bei den Füßen.«
    »Vielleicht ist es gefährlich, ihn zu bewegen.«
    Wo kamen all diese Leute her? Der junge Amerikaner nahm Monsieur Bouvet bei den Schultern, und so gingen sie über die Straße. Der Apotheker stand unter der Tür und sah dem kleinen Trupp entgegen.
    »Was ist passiert?« fragte ein junger Polizist.
    In der Uniform, unter der sich seine Muskeln abzeichneten, sah er aus wie ein Athlet.
    »Ein alter Mann, ihm ist schlecht geworden …«
    Und gerade als man den Leichnam in das duftgeschwängerte Halbdunkel der Apotheke hineintrug, fragte ein kleiner Junge an der Hand seiner Mutter mit seiner Piepsstimme:
    »Mama, ist der alte Mann tot?«
     
    Die Bouquinistin, die fünfundsechzigjährige Madame Poncet, blieb ganz vorn stehen.
    »Ich will telefonieren und den Krankenwagen herbestellen«, sagte der Polizist.
    »Das lohnt sich nicht. Er wohnt doch nur ein paar Schritte von hier.«
    »Kennen Sie ihn?«
    »Schon seit Jahren, Monsieur Bouvet, ein guter Kunde. Er wohnt gleich dort drüben, am Quai de la Tournelle, in dem großen weißen Haus mit dem Musikaliengeschäft im Erdgeschoß.«
    Immerhin waren es doch dreihundert Meter zu laufen.
    »Ich rufe sie trotzdem an.«
    Er überlegte, welche Vorschriften er zu befolgen hatte, doch konnte er sich nicht so recht daran erinnern. Er telefonierte mit dem Sekretär des Kommissariats.
    »Ist er tot?«
    »Ja. Sagt jedenfalls der Apotheker.«
    »Ist er allein?«
    »Ja, natürlich.«
    »Was hast du bis jetzt veranlaßt?«
    »Nichts. Wir sind in der Apotheke.«
    Der Amerikaner war gegangen. Es standen nur noch fünf oder sechs Personen auf dem Bürgersteig. Sie versuchten einen Blick ins Innere der Apotheke zu erhaschen, wo der alte Mann auf dem Fußboden lag.
    »Es kommt gleich jemand«, verkündete der Polizist. »Der Arzt ist schon benachrichtigt.«
    »Was hat er denn gehabt?«
    »Er ist tot.«
    Gleich darauf kam der Krankenwagen. Sie legten Monsieur Bouvet auf eine Bahre. Die beiden Hunde, die draußen eben noch aneinanderhingen, drehten sich nun den Rücken zu, während der Sprengwagen mit seiner Bürste über die andere Straßenhälfte fuhr.
    »Es ist leicht zu finden. Ein großes weißes Haus hinter der Kreuzung Rue de Pontoise.«
    Es war ein Haus, das mindestens zweihundert Jahre alt war, aber regelmäßig alle zehn Jahre frisch getüncht wurde. Etwa ein Drittel der Fensterläden war geschlossen, da, wo die Mieter in den Ferien waren; die anderen Fenster standen offen und ließen den Sommer herein.
    Die Türe rechts im Hausflur bestand in der Mitte aus weißem Milchglas, das von blauen und roten Butzenscheiben umrahmt wurde. Küchendünste drangen darunter hervor. Die Concierge stand auf der Treppe, einer Treppe ohne Läufer, aber die Stufen waren im Laufe der Zeit so blankgetreten worden, daß sie glänzten wie alte Möbel.
    »Concierge!«
    »Was gibt’s?«
    »Polizei!«
    Sie kam brummend herunter, wischte sich die Hände an ihrer karierten Küchenschürze ab und strich sich das Haar im Nacken hoch.
    »Polizei? Und was wollen Sie?«
    Im selben Augenblick sah sie den Krankenwagen vor der Tür.
    »Wer ist es?«
    »Ein alter Mann.«
    »Monsieur Bouvet? Ist er krank? Hat er einen Unfall gehabt?«
    »Er ist tot.«
    Sie ging in ihre Loge, und in einem Zimmer, das man von außen nicht sehen konnte, sprach sie mit jemandem.
    »Schnell, Ferdinand, steh auf. Monsieur Bouvet ist gestorben.«
    »Ist jemand bei ihm in der Wohnung?« fragte der Polizist, der sein Notizbuch in der Hand hielt, aber noch nichts hineingeschrieben hatte.
    »Natürlich nicht. Er lebt ganz allein.«
    »Wissen Sie, wo seine Angehörigen wohnen?«
    »Welche Angehörigen?«
    Sie weinte nicht. Doch ihre Augen schimmerten feucht, und man spürte, wie verwirrt sie war.
    »Wie ist es denn passiert?«
    »Auf dem Kai, als er sich Stiche ansah.«
    »Wir müssen ihn in sein Zimmer bringen.«
    »Wer kümmert sich denn jetzt um ihn?«
    »Was meinen Sie damit?«
    Jetzt plötzlich begriff sie, daß ein Toter mehr Umstände macht als ein Lebender, daß eine Menge Dinge zu erledigen waren.
    »Wir … Ich …«, erwiderte sie.
    »Sind Sie sicher, daß er in Paris keine

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