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Das Begräbnis des Monsieur Bouvet

Das Begräbnis des Monsieur Bouvet

Titel: Das Begräbnis des Monsieur Bouvet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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das?«
    »Ich weiß es nicht, Madame. Ich wohne nicht hier«, erwiderte der Inspektor.
    Die Concierge trat mit mißtrauischem Gesicht aus ihrer Loge.
    »Wo wollen Sie hin? Wen wollen Sie sprechen?«
    »Es ist wegen des Toten«, sagte der Polizist. »Madame behauptet, daß sie in der Zeitung ihren Mann wiedererkannt hat.«
    Man hätte meinen können, zwischen den beiden sprühten schon Funken.
    »Sie irrt sich bestimmt.«
    »Bestimmt irre ich mich nicht.«
    »Folgen Sie mir.«
    Die magere Madame Jeanne ging ihnen voran die Treppe hinauf, die sie in ihrem Leben noch nie so oft hinaufgestiegen war wie an diesem Tag. Von Zeit zu Zeit drehte sie sich um und bedachte die Besucherin mit einem herausfordernden Blick.
    »Ich gehe doch nicht etwa zu schnell für Sie?«
    Sie waren alle drei außer Atem, als sie den dritten Stock erreichten.
    »Warten Sie einen Moment, ich muß erst die Kerzen anzünden.«
    Seit dem Morgen hatte sie in weiser Voraussicht eine Schachtel Streichhölzer in ihrer Schürzentasche. Am Fuß des Bettes lagen schon zwei Blumensträuße, so daß das Zimmer langsam wie ein Totenzimmer roch.
    »Kommen Sie.«
    Monsieur Bouvets Nase war spitz, und sein Gesicht war etwas eingefallen. Die Haut war noch weißer geworden, gleichsam durchsichtig, und das unbestimmte Lächeln, das um seine Lippen gespielt hatte, als er aufgehoben und in die Apotheke getragen worden war, hatte sich noch verstärkt, der Ausdruck war dabei deutlich ein anderer geworden, beinah sarkastisch.
    Mrs. Marsh sagte nichts mehr. Möglicherweise verschlugen ihr das Halbdunkel, die beiden Kerzen und der Buchsbaumzweig die Sprache.
    »Nun?« fragte der Inspektor.
    »Ich bin sicher, daß er es ist«, erklärte sie schließlich mit unsicherer Stimme.
    Und schnell setzte sie hinzu:
    »Sehen Sie sich das rechte Bein an. Wenn der Stern da ist …«

2
    A ls er das Bettlaken zurückschlagen wollte, fühlte sich der Inspektor plötzlich gehemmt durch diese Friedhofsatmosphäre, durch die Gegenwart dieser beiden Frauen, die sich erst seit ein paar Minuten kannten und schon erbitterte Feindinnen waren.
    »Meinen Sie nicht, man könnte mal einen Fensterladen aufmachen?«
    Worauf die Concierge mit einem herausfordernden Blick zu Mrs. Marsh hin antwortete:
    »Ich glaube nicht, daß sich das gehört.«
    Er knipste das Licht an, aber das war noch schlimmer. Es war ein trübes Licht, in dem die Kerzenflammen weitertanzten. Der Inspektor war dreißig, er hatte eine dreijährige Tochter, und seine Frau erwartete jeden Augenblick ein Baby. Vielleicht würde man die frohe Neuigkeit an die Wache durchgeben, ausgerechnet während er hier war.
    Von den beiden Frauen erwies sich die Concierge als die aggressivere. Als der Inspektor endlich den Toten aufdeckte, stellte sie sich zwischen die Fremde und das Bett.
    Hatte sie ihm das weiße Nachthemd und die schwarze Frack- oder Smokinghose angezogen? Er hätte beinah das falsche Bein erwischt. Er war überrascht, wie mühevoll es war, das Hosenbein hinaufzuschieben. Der Mann, der so zart und schmächtig wirkte, war in Wirklichkeit erstaunlich muskulös.
    »Er hat eine Narbe unter dem Knie«, verkündete er.
    »Was habe ich Ihnen gesagt? Wie ein Stern!«
    Allerdings. Es war eine Narbe mit mehreren Verästelungen. Die Concierge gab keinen Mucks von sich, aber um zu zeigen, daß sie sich noch nicht geschlagen gab, deckte sie den Toten wieder zu und knipste das elektrische Licht aus.
    »Es müssen doch Papiere da sein«, fuhr Mrs. Marsh fort, während sie in den Salon hinüberging, der ebenfalls in Dunkel getaucht war und in den nur durch die Ritzen der Fensterläden etwas Licht fiel.
    Madame Jeanne blieb ihr hart auf den Fersen.
    »Niemand darf hier etwas aufmachen. Es ist alles versiegelt.«
    »Wer hat denn das versiegelt? Warum hat man denn das versiegelt? Er ist mein Mann. Wir sind nie geschieden worden. Folglich …«
    Die andere, die klein und mager war wie der Tote, blies die Kerzen aus. Sie schien den Inspektor und die Fremde aus der Wohnung hinausjagen zu wollen. Und da Madame Sardots Tür halb offenstand, sagte sie auf der Treppe mit lauter Stimme:
    »Auf jeden Fall bleibt er bis auf weiteres Monsieur Bouvet, so wie es in seinen Papieren steht.«
    Ein paar Minuten später ging sie noch einmal hinauf, um sich zu vergewissern, daß im Schlafzimmer alles in Ordnung war, dann noch einmal, um einen Mieter aus dem vierten Stock hineinzuführen, einen Postangestellten, der eben erst nach Hause gekommen war.
    »Ich habe

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