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Das Begräbnis des Monsieur Bouvet

Das Begräbnis des Monsieur Bouvet

Titel: Das Begräbnis des Monsieur Bouvet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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gleich hinauf, um nach Monsieur Bouvet zu sehen.
    Er hatte sich nicht gerührt und schien immer noch zu lächeln.
    Um zehn Uhr hielt ein Taxi am Boulevard Haussmann vor dem Haus des Rechtsanwalts; dieser kam sogleich herunter und setzte sich zu Mrs. Marsh in den Wagen.
    »Quai des Orfèvres!«
    Das war nur ein paar Schritte vom Quai de la Tournelle entfernt. Man hätte von dort das weiße Haus beinahe sehen können.
    Rechtsanwalt Rigal war ein bedeutender Mann, zwar nicht einer der Staranwälte, aber doch immerhin ein bedeutender Mann.
    »Wir sind mit dem Direktor der Kriminalpolizei verabredet.«
    Man ließ sie kaum warten. Mrs. Marsh war von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet, aber aufdringlich parfümiert und außerdem schmuckbehangen.
    »Treten Sie ein, mein lieber Monsieur Rigal. Nehmen Sie bitte Platz, Madame. Womit kann ich dienen?«
    Die offenen Fenster gingen auf die Seine hinaus, auf den Pont Saint-Michel. Die Fußgänger darauf sahen ganz klein aus und schienen sich nur ruckartig zu bewegen, so wie in den frühen Stummfilmen.
    »Meine Mandantin, Mrs. Marsh, hat soeben ihren Gatten wiedergefunden, der zwanzig Jahre verschollen war.«
    »Meinen Glückwunsch, Madame.«
    »Er ist tot.«
    Der Direktor gab seinem Beileid durch eine unbestimmte Geste Ausdruck.
    »Er ist unter einem anderen Namen gestorben. Deshalb, mein lieber Direktor, brauchen wir Ihre Hilfe.«
    »Ist das in Paris passiert?«
    Denn falls Monsieur Bouvet außerhalb des Département de la Seine gestorben wäre, ginge das nicht mehr die Kriminalpolizei etwas an, sondern den Innenminister, und man wäre befreit gewesen von dieser Dame, die sich als recht unbequem entpuppte, obwohl sie noch kein Wort gesagt hatte. Auch von Rigal hieß es, mit ihm sei nicht gut Kirschen essen.
    »Der Todesfall ereignete sich nur ein paar Schritte von hier, am Quai de la Tournelle, wo der Gatte meiner Mandantin, wie es scheint, seit vierzehn Jahren unter dem Namen René Bouvet lebte.«
    »Man kann also nur schlecht von einem Gedächtnisverlust sprechen.«
    »Warum er spurlos verschwand, warum und wie er den Namen Bouvet angenommen hat, wird noch festzustellen sein. Am dringlichsten ist, daß seine Sterbeurkunde auf seinen richtigen Namen ausgestellt und meine Mandantin in ihre Rechte eingesetzt wird.«
    »Ist er reich?«
    »Er war es.«
    »In welchen Verhältnissen lebte er am Quai de la Tournelle?«
    »Wie ein bescheidener Rentner, soviel ich weiß. Sie haben wahrscheinlich gestern sein Foto in der Zeitung gesehen. Durch dieses Foto hat meine Mandantin …«
    »Sie kann sich nicht geirrt haben?«
    »Sie hat sich in Begleitung eines Inspektors aus dem 5. Arrondissement an Ort und Stelle überzeugt. Der Inspektor hat nach den Angaben von Mrs. Marsh das rechte Bein des Toten untersucht und dort die von meiner Mandantin beschriebene Narbe gefunden.« Es war schon heiß. Der Anwalt wischte sich die Stirn.
    »Es ist unbedingt erforderlich, daß die offizielle Identifizierung so schnell wie möglich erfolgt, und natürlich behalten wir uns alle unsere Rechte vor …«
    »Madame, würden Sie mir einige Auskünfte über Ihren Mann geben? War er Franzose?«
    »Amerikaner. Ich lernte ihn 1918 in Panama kennen. Ich war damals sehr jung.«
    »Was tat er beruflich?«
    »Er war reich. Ich war es auch. Meine Eltern besaßen Kakaoplantagen in Kolumbien.«
    »Und dann?«
    »Wir heirateten, reisten ein Jahr in Südamerika herum, und ich bekam eine Tochter.«
    »Lebt sie noch?«
    »Sie muß im Moment in Frankreich sein.«
    »Haben Sie keinen Kontakt mehr zu ihr?«
    »So wenig wie möglich.«
    Er machte sich Notizen oder tat jedenfalls so.
    »Wie war Ihr Mann damals?«
    »Er war ein aufregender Mann. Alle Frauen waren verliebt in ihn.«
    »Wie alt war er?«
    »Fünfundvierzig. Er kannte die ganze Welt, sprach drei oder vier Sprachen.«
    »Auch Französisch?«
    »Ohne jeden Akzent. Ich bin halb Französin durch meine Mutter. Mein Vater war Kolumbianer.«
    »Und Sie wissen nicht, was Ihr Mann tat, bevor Sie ihn kennenlernten?«
    »Ich sagte Ihnen schon: Er war viel auf Reisen. Er lebte lange in San Francisco, glaube ich. Auch den Orient kannte er sehr gut. Wir sind dann nach Louisiana gezogen, wo meine Tochter geboren wurde.«
    »Und da ist er verschwunden?«
    »Nicht sofort. Er lernte einen Mann kennen, einen Belgier, sein Name ist mir entfallen. Der Mann erzählte ihm vom Kongo und davon, welche Möglichkeiten man dort habe. Also beschloß er, selbst hinzufahren und sich persönlich

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