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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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vergessen. Er kam zu Lehmkes hinüber, und da saßen schon zehn oder zwölf Leute, Pieter Preester an der Spitze. Die Lehmke hatte aus ihren kleinen Augen einen scharfen Strahl auf ihn geschossen und im übrigen süß wie immer gelächelt, indes Lehmke selber wie ein Bullenbeißer hinter des Sturmführers Stuhl lehnte. Den Unterkiefer ein bißchen vorgeschoben, verlegen und wütend kam er Albert vor. Die Auffrischung der Bude wollte bezahlt werden, das neugemalte Schild, auf welchem ein Panzerwagen eine Birke umfährt – und das allgemeine Wirtschaftsleben zeigte schrumpfende Tendenzen, so stand’s in der Zeitung. »Du hast an uns eine Bitte zu richten, Kamerad Teetjen? Da wäre aber vorher noch eine Kleinigkeit zu bereinigen. Wie war’s denn mit einem hübschen Sümmchen, das du von Partei wegen eingenommen, ohne dich für die allgemeine Kasse erkenntlich zu zeigen, Kamerad Teetjen?« Zwölf Paar wütende Augen, rosige, weiße, gebräunte Gesichter, kurzes Borstenhaar oder gescheitelt – aber alle gleich unbarmherzig bereit zur Plünderung. Sie waren zu kurz gekommen, und hier sahen sie eine Gelegenheit, zwölf gegen einen, undsie schufen sich einen Rechtsanspruch. Von Partei wegen eingenommen? Die allgemeine Kasse beteiligen? Albert fühlte sich wie ein verfolgter Igel, alle Stacheln stellte er auf. Da sie aber zwölf gegen einen dasaßen, mußte er sich sehr zusammennehmen, ganz ruhig bleiben. Trank also gemächlich von Lehmkes vortrefflich gepflegtem blondem Hamburger Elbschloß, wischte sich den Schnurrbart und sagte dann gemütlich: »Nu macht man halbwege, Kameraden. Da ihr ja offenbar schon alles wißt, wieviel Arbeiterköpfe habt ihr denn für mich abgeschlagen, wenn ihr schon von Partei wegen beteiligt werden wollt? Dacht immer, Ihr solltet euch mir erkenntlich zeigen – von Partei wegen. Wo mich jetzt die Roten bestreiken und mir das Wasser wieder allgemach an die Gurgel steigt.« Inzwischen war Klaas Vierkant eingetreten, hatte sich schnell unterrichtet, was es denn gebe, lachte und schaute sportlich gesonnen zu, wie sich der Teetjen aus dem Unrecht, in dem er sich offenbar befand, herausarbeiten werde – abgesehen davon, daß er der Schwächere war und einer gegen zwölf sich stets im Unrecht befindet. »Willst du vielleicht leugnen«, fuhr Preester los, »daß es die Partei war, die, in Gestalt von P. G. Footh, dir diese Chance zuschob? Zweitausend Mark für vier Hiebe mit dem Beil – und du wirst nicht schamrot von deswegen, daß du nicht ganz allein herübergekommen bist mit dem Zaster? Und solch ein Kerl stänkert immer wieder gegen die Warenhäuser, die längst arisiert sind, und kommt gar nicht darauf, daß Gemeinnutz vor Eigennutz geht. Nee, Freundchen! Jetzt komm mal erst rüber mit fünfundzwanzig Prozent – danach alles andere.« Albert fühlte sich erbleichen und wieder heiß werden. Ihm war, als drehe sich der Raum um den Stuhl, auf dem er sich festklammerte. Die letzten Monate hatten offenbar ihre Spur hinterlassen in seinen Nerven. Seine Hand umklammerte den Henkel des Glases, das vor ihm stand, bereit, das schwere Bierglas auf dem Schädel des ihm gegenüber Sitzenden zu zerschlagen, wie den Berichten nach vor vier Jahren der Gauführer Adolf Wagner den aufsässigen SA.-Führer im Münchner Braunen Haus. »Fünfundzwanzig Prozent?« fragte er beherrscht. »Von dem, was mal war, oder von dem, was noch ist?« Hier hatte sich Klaas Vierkant eingemischt, eingedenk der Freundschaft,die den Teetjen mit seinem zukünftigen Brotherrn verband, dem Reeder Footh. Ein Viertel vom Ganzen, sagte er, sei bei den jetzigen Umständen doch wohl zu happig, obwohl es damals nur recht und billig gewesen wäre. Und wieviel jetzt noch da sei, könne ja niemand nachprüfen. Also mache er den Vermittlungsvorschlag: zehn Prozent in die Wohlfahrtskasse, und die Sache sei überm Berg. Albert Teetjen wandte seine Augen schwer hinüber zu dem hübschen Burschen, dem er immer so gern zugehört. Das letztemal bei dem Kometen oder Nordlicht oder was es war. Wenn er jetzt von dem kümmerlichen Rest, den paar hundert Mark, die ihm noch zu Buche standen, zweihundert Mark abschreiben mußte, um diese gierigen Mäuler hier zu stopfen, dann sank sein Schiff. Er schaute ratlos umher, ob nicht vielleicht das kalte schwarze Wasser durch Fenster und Türen einströmte, wie er es irgendwann und irgendwo einmal im Film gesehen; dann, als der feiste Preester ihn ganz unkameradschaftlich anfuhr: ob er denn soviel Zeit brauche,

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