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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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sich für einen so anständigen Vorschlag dankbar zu zeigen, einen Weg zurück aus der Unanständigkeit in den Stand eines honorigen SS.-Mannes, da vermochte er nur die Achseln zu heben und wieder zu senken, vor sich hinzunicken und zu bestätigen, ja, gewiß, er sehe das ein und bedanke sich auch schön. Was sollte er hinzufügen? Sollte er diesen Leuten hier zurufen, er habe für sie, für das Dritte Reich seine ganze Existenz aufs Spiel gesetzt und in die Schanze geschlagen? Alles sei ihm schief gegangen seither, auch wenn die Außenseite blank poliert gewirkt hätte und ihm nichts als Ehre eingetragen? Sollte er diesen Leuten vorrechnen, in welchen Schulden er schon damals gesteckt, begreiflich machen, daß er sich ohne den Zwang von Schulden und Niedergang niemals dazu bereitgefunden hätte, sich zum Henker zu erniedrigen? Was für Worte gingen ihm denn durch den Kopf? Oh, es war schwer, in den eigenen Untergang hineinzusteigen und so zu tun, als sei’s nicht viel. Seine Kameraden! Die Mannschaft, auf die er sich stützen wollte. Hätte drüben nicht seine Stine auf ihn gewartet, er hätte den erstbesten Eichenstuhl gepackt und ihn diesen Hunden auf die Köpfe geschmettert, auch dem gespannt wartenden Lehmke da, diesem Schuft und Nachbar – darauf gefaßt, daß ihnein Stich von rückwärts oder eine Kugel von der Schwelle her umlegte, erlöste. Als junger Kerl hätte er einen solchen Verrat und Überfall von hinten her bestimmt so ausgetragen, aber jetzt war das ja anders. »Na schön«, sagte er, »wird mir ja wohl nichts weiter übrig bleiben. Könnt euch ja denken, daß ich’s nicht getan habe, weil in meiner Kasse Hochflut herrschte, Springflut sozusagen. Ja, aber wenn ihr’s so wollt ...« Oh, sie wollten es, und zwar die ganze Summe, und zwar gleich. Kamen ja ohnehin auf jeden noch nicht zwanzig Mark. Da müsse er sich mal mit Lehmke besprechen, meinte Albert, aufstehend und in den allgemeinen Schankraum hinübergehend, in welchem Frau Lehmke hinter der Theke saß und von ihrem Mann Bericht entgegennahm – einschlürfte, dachte Albert. Und nun entwickelte sich eine kurze Unterhaltung unter Freunden, in deren Verlauf Frau Lehmke den Vorschlag machte, Albert solle sein Schlafzimmer, Polisander oder Mahagoni oder was das nun war, mitsamt der Bettwäsche verpfänden, Lehmkes übereignen, für den Fall, daß er nicht imstande sei, das Darlehen von zweihundert Mark, welches er benötigte, innerhalb von drei Monaten zurückzuzahlen, an zehn Mark Zinsen würde er sich wohl nicht stoßen.
    So lautete ein Zettel, den Frau Lehmke mit schnellen Schriftzügen bedeckte und den Albert, den Schulfederhalter fest zwischen seinen starken Fingern, zähneknirschend unterschrieb. »Du gehst doch ohnehin nach Spanien, Albert, nicht?« begütigte Lehmke, bevor er in sein Schlafzimmer verschwand, um mit zehn Banknoten zurückzukehren. »Dann zieht deine Stine zu ihrer Schwester nach Nienhagen – wohnt sie da nicht? Und so ist am Ende allen geholfen. Denn fein war das Ding ja nicht, das du uns da gedreht hast. Aber nu bist du wieder ehrlich und kannst dich unter Leuten wieder zeigen. War ja auch am Ende nicht freundlich, uns so draußen zu lassen, nöch?« Albert gab das zu. Er hätte noch viel mehr zugegeben an jenem Abend, der Ekel stand ihm bis zum Munde. War etwa das ganze Dritte Reich so beschaffen, auf welches der Führer da herunterblitzte aus dem großen Photo, das jetzt ein Eichenkranz umrahmte? Dann hing es nicht zufällig über der Kasse, wo die Lehmkin gewohnt war, sich den Hintern zu wärmen, auf einem dicken gestrickten Kissen. Nun bloß nachHause und sich langmachen und der Stine kein Wort erzählen von all der Schande, denn sonst kam sie mit ihrer Großmutter, ihrem Neuen Testament und bohrte ihn an der anderen Seite in den Grund, mit Menschenblut, das nicht vergossen werden sollte. »Schönchen«, damit quittierte er den Empfang von zweihundert Mark, rückzahlbar bis zum 7. September, ging hinüber ins Hinterzimmer, das jetzt Fürstenzimmer hieß. Dort hatte sich als Zwischenunterhaltung ein Bericht aufgetan, wie der Bekenntnis-Langhammer um die Ecke gesegelt sei und was für eine freche Totenfeier die Kuh, seine Frau, ihm veranstaltet. Pieter Preester aber, das scharfe Auge drüben bei Albert und von der Entwicklung recht befriedigt, die das Ding dort nahm, lachte auf, schlug mit der Hand auf den Tisch und begann, vom Stichwort des Berichterstatters in Schwung gebracht, das Lied von Herrn Pastor sin Kauh zu

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