Das Beil von Wandsbek
schwimmen oder vielmehr im seichten Strandwasser zu liegen und sich die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen. Aber Teetjen tut das nicht, denn der Badestrand in Finkenwärder wird vom Bau der Elbhochbrücke völlig verschimpfiert – ein Mann von Charakter bleibt dann lieber weg. Albert Teetjen macht sich mit diesem Gedanken über sich selber lustig, nicht dies ist selbstverständlich der Grund, der ihn zu Hause hält. Er steht in seiner Tür, neugierig, wie ein Soldat, der den heranschleichenden Gegner erwartet, die Handgranate in der Tasche. Er will ihnen zeigen, daß er sich nicht fürchtet, den Bekannten und den Unbekannten. Er möchte auch keinen Kunden versäumen, der aus Unkenntnis der Sachlage sich zu ihm verirrt, denn die Ausbesserungsarbeiten am Pflaster haben wieder begonnen, die städtische Betonmischmaschine kreischt in der Wandsbeker Chaussee, Haufen von Kies, Sand, Zement türmen sich, gewisse Straßenübergänge sollen statt mit Rutschmit Rauasphalt belegt werden – wer weiß, ob die Picker und Mischerschon etwas davon gehört haben, daß man bei Schlächter Teetjen nicht kaufen kann, weil es bei ihm nicht hygienisch zugeht, in seiner Wurstmaschine Katzen oder Kinder verschwinden, die Ratten aus den Fleeten bei ihm in hohem Preise stehen. Sowas muß es ja doch sein, nöch? Denn es werden ja nicht alle Naslang Kommunisten geköpft in Hamburg ...
Albert Teetjen schaut den Himmel an, durch welchen Flugzeuge ziehen. Irgendwo muß die Reichswehr einen neuen Flugplatz eröffnet haben, denn das da sind Kampfflugzeuge, sogenannte Messerschmidts. Und die dicke Maschine, die sie umgeben, ist ein Heinkel-Bomber. Ein Heinkel 54, wenn sich Albert nicht irrt. Aber er wird wohl nicht. Worauf er paßt, hier auf seiner Schwelle? Gestern begannen die Ferien, heute ist erster Ferientag, und nun müßte eigentlich der Ärger mit den Kindern wieder anfangen, die hier vor seinem Laden, ausgerechnet, hätte man früher gesagt, das Pflaster als Sportplatz ausersehen haben. Schon zu Vaters Zeiten. Es handelt sich um ein Hüpfspiel, bei welchem eine Scherbe nach bestimmten Gesetzen in die verschiedenen Felder eines mit Kreide gezeichneten Spielraums gestoßen werden muß, und das ganze heißt, Gott weiß warum, Himmel und Hölle. Die Gören hopsen, grätschen die langen Heuschreckenbeine, stoßen ihr Steinchen mit der Fußspitze, dürfen sich oben im Himmel ausruhen – kurz, es gibt keine lästigeren Störungen des Publikums vor dem Eingang eines Geschäfts als diesen Betrieb, und Albert hat ihn Jahr für Jahr verwünscht und sich nur von Stines Klugheit daran verhindern lassen, ungeduldig wütend dazwischenzufahren. Aber sie hatte recht. Die Kinder durfte nicht verschrecken, wer ihre Eltern als Kunden behalten wollte.
Heute steht nun Albert da, gespannt, ob das störende Theater wieder beginnen werde! In den Pfingstferien hatte sich nichts beobachten lassen, die waren verregnet, nach Strich und Faden – außer dem, was in ihnen noch passierte ... Aber Stine hatte behauptet, der Spielplatz sei verlegt worden, weit nach hinten, noch jenseits von Lehmkes, die Lehmkin hätte sogar ein Stück Kreide gestiftet, damit das neue Feld sich nicht vor ihrer Tür einrichte. Ja, das Beil konnte nicht mehr zaubern. Es hing oder lag irgendwo im Kriminalmuseum und dennoch, dennoch ... Albertlegte nachlässig die Hand über die Augen. Richtig, da hinten hopsten sie schon, da sammelte sich das Rudel, der Betrieb ging los – nichts zu machen. Stine, Stine, wir müssen weg.
Eigentlich, dachte Albert, konnte er mit sich zufrieden sein. Für einen Mann, dem die Schweine, seine Kameraden, das Rückgrat gebrochen hatten, hielt er sich doch ganz proper. Was er, den sein Großvater Döskopp geschimpft, von der Rückkehr des Sturmführers Preester erwartet hatte und von der Unterstützung des Sturms in seinem Kampf gegen die unsichtbaren Roten, Mensch, das müßtest du dir ins Hauptbuch schreiben. Fünf Tage vor Pfingsten hatte er die Fahrräder verkauft, um die Miete für die Ladeneinrichtung hinterlegen zu können, ohne die letzten Hunderter angreifen zu müssen. Wie wenig der Verkauf gebracht hatte – Stine dachte erst, sie seien bloß versetzt, und war darum mit der niederen Summe einverstanden. Aber dann hieß es, Pieter Preester bekomme sicherlich Pfingsturlaub, und Albert freute sich: jetzt konnte der Versuch gestartet werden, mit dem verleumderischen Gesindel abzurechnen.
Am Dienstag nach Pfingsten war es; Albert würde es nicht
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