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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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singen, »damit dem Herrn Pastor auch von unserer Seite ein Nachruf dargebracht wird.« – »Ach was schmeckt de Supp so nett, dat kommt von all dat Nierenfett von Herrn Pastor sin Kauh.« – »Sing man tau, sing man tau«, jubelte die Tafelrunde, »von Herrn Pastor sin Kauh, lala, sing man tau, sing man tau, von Herrn Pastor sin Kauh.« – »Düs is für den seligen Langhammer«, erklärte der Sturmführer, als Teetjen und Lehmke hinter seinem Stuhl erschienen, »habt ihr’s ausgeknobelt?« Albert mußte erst begreifen, daß dieser Scherz eine Abrechnung mit Frau Pastor Langhammer ersetzen sollte, übergab dem PG. Preester das Büchlein aus Zwanzigmarkscheinen, brachte es über sich, für die echt kameradschaftliche Lösung der leidigen Angelegenheit zu danken, ging aber dann bald nach Haus, nachdem er alle Beteiligten, auch Lehmkes, gebeten hatte, dicht zu halten, auch seiner Frau gegenüber, die das Ganze nicht zu wissen brauchte, vorläufig jedenfalls. Sie hing an ihrem Schlafzimmer und war andererseits viel zu gewissenhaft, um es noch unbefangen benützen zu können, wenn es ihr nicht mehr gehörte. Nun, vielleicht kam Teetjen noch ein Wunder zu Hilfe, ein wirklicher Lotteriegewinn, eine richtige Erbschaft. Oder der liebe Gott, mit dem es Stine doch hatte, wandte den Sinn der Wandsbeker zur Vernunft. »Gute Nacht, Albert«, wünschten Lehmkes, als er die Tür hinter sich schloß. Das Schlafzimmer war immer noch fünfhundertMark wert, auch wenn heute Judenmöbel billig im Preise standen ...
    »Schleswig-Holstein, meerumschlungen, handelt nun mit Ochsenzungen von Herrn Pastor sin Kauh«, jubelte es noch von drinnen her; dann verschluckten die geschlossenen Türen den Spott der siegreichen Legionäre. Wirklich kam es Albert so vor, während er schwer und langsam die Straße entlang schlich, als habe er es drinnen gar nicht mit heutigen Deutschen zu tun gehabt, sondern mit den Söldnern des Pilatus, denen er, Albert, einen Mann ausgeliefert hatte, zum Beispiel den Pastor Langhammer, den Juden, den Ruckstuhl geköpft hatte, oder einen von seinen Vieren. Wie sie komisch ihre Köpfe vor die Bäuche gehalten hatten, in Ohlsdorf draußen. Eigentlich hatte er völlig verlernt, zwischen ihnen zu unterscheiden, welcher Merzenich war und welcher Timme. Sie hatten in seinem Leben ja gar keine Rolle gespielt, bis er auf die Idee kam, sich mit ihren Köpfen weiterzuhelfen. Die da drin jedenfalls waren nicht wert gewesen, was er in jener Unterhaltung mit Footh im Uhlenhorster Fährhaus auf sich geladen hatte. Nun würde er vor Stine wieder ein Geheimnis haben, wer wußte wie lange. Jetzt hatte die Sache wenigstens Fasson bekommen. Am 7. September mußte alles aus sein, so oder so. Hätte er nur mehr Bier getrunken, um schnell zu schlafen! Er fühlte sich wie zerbrochen an, alle Knochen kaputt und das Rückgrat noch besonders. Das war seine Mannschaft gewesen, seine Kameradschaft, sein Rückhalt, sein Trost. Mit denen hatte er gehofft, den Roten zu Leibe zu rücken, sichtbaren wie unsichtbaren. Ebensogut hätte er die Sterne oben am Himmel um Beistand anbetteln können. Wenn er sich nur leise genug nach hinten schlich, damit Stine nichts hörte. Er war ohnehin um Jahre älter geworden seit vergangenem Neujahr. Aber so wie jetzt hatte er sich noch nie gefühlt, so verlassen, so enttäuscht. Schade, daß nicht hier in der Wagnerstraße ein Eingang klaffte ins Innere der Erde, wie Arne Saknussen ihn seinem Professor beschrieb. Man konnte sich gar nicht tief genug verkriechen nach solch einer Erfahrung ...
    Am nächsten Vormittag – er hatte kaum lange wach gelegen, aber tief in den Tag hinein geschlafen – sagte er sich nach dem Waschen:Jetzt aber gleich Klarheit. Jetzt los zum Footh. Viel Gefackel konnte nur schaden und nutzte keinem. So schön ruht sich’s also in einem Schlafzimmer, das einem gar nicht mehr gehört. Bin neugierig, wie ich’s und wann ich’s der Stine beibringe. Und er blickte mit einer Art wütender Zärtlichkeit auf das rotbraun glänzende Holz der Betten und des großen Schrankes, die beide der Lehmkin schon immer in die Augen gestochen. Es war schon warm drinnen, Stine hantierte in der Küche, sie kochte nicht mehr auf Gas, die Rechnung wurde so klein als möglich gehalten. Alte Bretter, von Albert zerspalten, und kleine Reste von Steinkohlen mußten das Mittagessen garmachen, heute Pferdebohnen mit ranzig gewordenem Speck. Wenn sie ausgingen, merkten sie sich immer, wo Hauswirte schon jetzt Kohlen

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