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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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wenn’s hart auf hart geht«, äußerte Herr Lintze, den weiträumigen Kelch halbhoch in der Luft. »Daß die Sache diesmal geglückt ist – ich meine dasKriegsspiel – verdanken wir Gott weiß wem, nur nicht unseren Verdiensten, mit denen ist es man schwach. Unsere Generäle sagen, daß sie nicht möchten, und dann machen sie doch alle mit. Wie im Märchen vom Fischer und syne Fru, wo der Mann auch immer Bedenken äußert, ehe er hingeht und angelt, und den Butt mit einem neuen Ansinnen seiner Gemahlin beehrt. So was geht, solang es geht, aber dann kommt doch der große Klamauk, und danach sitzen sie wieder im Pißpott, mit Respekt zu vermelden, denn mine Fru, de Ilsebill, will nich so, as ich woll will. Nun, General von Fritsch weiß und mein Chef Knochenhauer weiß, und bis die Elbhochbrücke grundsteingelegt wird, wenn Sie mir das Wort gestatten, schauen wir uns nach einem neuen Axtmann um, wie hieß er doch? Albert Teetjen, Schlächtermeister.« Damit blätterte er das Findebuch auf und legte es wieder auf den Schreibtisch.
    Herr Koldewey erinnerte sich, indes er ihm zutrank, daß auch er mal etwas mit einem Gleichnis aus diesem Märchen ausgedrückt hatte. Aber: dat war all lang her, woll tweetuden Johr, und nun hieß das Leben wieder Käte und wollte sich fortsetzen, und die Staatssorgen und -Affären waren nichts als olle Kamellen, Schnee vom vorigen Jährchen. Laß fahren dahin! Der Mensch dachte und der Kutscher lachte, hockte auf dem Schicksalswagen und peitschte die Rosse der Ewigen Wiederkehr! Wohlan! Noch einmal!
    Und damit erhob er sich und brachte seinen Gast zur Tür.

Abgesang:
Astrologie
    Am nächsten Sonntag um die Mittagsstunde umschwebte dasselbe goldene Licht Dr. Koldeweys Haus, das rote Dach und die Türmchen seiner Dienstwohnung. Schlank und dünn wie ein Schornsteinfegerjunge stand Ingebottel, Koldeweys jüngste Tochter, in ihrem Trainingsanzug auf dem First, hielt sich am Schornstein fest und untersuchte sachverständig die Antenne. Wie sie als Kind bei heranziehender Mittelohrentzündung dem Hausarzt mit klagender Stimme versichert hatte: »Knackt im Ohr«, so hattesie gestern abend, während man die neuesten Berichte aus München empfing, den großartigen Sieg des Führers über die westlichen Demokratien, das Krachen und Knacken mit einem anklagenden »In der Antenne!« gerügt, da es den Empfang aus einem Vergnügen zu ärgerlicher, immer wieder von Unmut unterbrochener Plage gestaltete. Und Koldeweys Töchter wollten nicht darauf warten, daß der Dienstweg beschritten werde und der Amtsschimmel geritten – der trottete ihnen viel zu langsam.
    Thyra Koldewey indes, die dunkelst blonde von den dreien, saß auf dem Fensterbrett der Mengers Mansarde, wie sie nach den Büchern nun einmal hieß, im langen, buntbedruckten Hauskleid (von neuestem Muster – auf cremefarbenem Grund ein kurzes Motiv indigofarbener Wellen, einen roten Meerdrachen – Wikinger Schiff – und einen blaßgrünen Riesenmond hinter jedem). Sie hatte sich kühn hinausgelehnt, um den Stand der Schwester zu erspähen, aber alsbald den Rückzug angetreten. Auf dem Tisch, dem von Annette gestifteten Büchertisch, lagen jetzt astrologische Tabellen und Blätter Papiers, auf denen sie Berechnungen begonnen und unterbrochen hatte, um sie jetzt wieder aufzunehmen. Ein Band aus dem Briefwechsel Friedrich Nietzsches lag ebenfalls dabei; sie hatte eine Stelle gesucht und nicht gefunden, in welcher sich der Philosoph zum Musiker Köselitz über Weltuntergangsvisionen geäußert haben sollte – zu jenem Komponisten Peter Gast, von dem er so ausnehmend viel gehalten, den aber die Musikgeschichte zu erwähnen vergessen hatte.
    Manchmal schaute sie empor, sandte den Blick in die köstlich zarte Himmelswelt des Herbstlichtes, den blauen, von Wölkchen geäderten Himmel, vertiefte sich aber bald wieder in die Welt der Zahlen und Formeln der beiden Horoskope, die sie miteinander verglich: das ihre und das ihrer Schwester Inge. An verschiedenen Tagen verschiedener Jahre geboren, wiesen ihre Lebensläufe eine immer größere Ähnlichkeit auf und glichen sich am Schluß. Dies kam ihr unwahrscheinlich vor, sie suchte den Fehler.
    Ein großer Bomber orgelte über das Dach, sehr tief, von Riga her oder Kopenhagen zum Fuhlsbüttler Landungsplatz. Dann kratzteetwas oberhalb der Decke entlang, eine Minute später trat Ingebottel durch die Tür, wusch sich die Hände unter der Leitung und warf sich auf das Gastbett, um zu

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